Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
das man in den Mahlwerken der französischen Verwaltung vergessen hatte. Mathilde wog die Waffe in der Handfläche und überdachte ihre persönliche Situation. Eine geschiedene Psychiaterin, ohne Penis weit und breit, versteckt in ihrem Sekretär eine Pistole. Sie lächelte und sagte leise: »Urteilen Sie selbst über das Symbol... «
    In ihrem Sprechzimmer angelangt, führte sie ein weiteres Telefongespräch, dann näherte sie sich dem Sofa. Sie musste Anna heftig schütteln, bis diese erste Anzeichen des Erwachens zeigte.
    Endlich begann die junge Frau, sich zu räkeln. Sie betrachtete, ohne jedes Staunen, ihre Gastgeberin, den Kopf zur Seite gedreht. Mathilde fragte leise: »Du hast doch keinem von deinem Besuch bei mir erzählt?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Und niemand weiß, dass wir uns kennen?«
    Dieselbe Antwort. Mathilde überlegte, womöglich war man ihr gefolgt - egal, alles oder nichts.
    Anna rieb sich die Augen mit beiden Handballen, was ihren merkwürdigen Blick zusätzlich betonte: die Trägheit der Pupillen, dazu der Ausdruck von Müdigkeit, der sich oberhalb der Backenknochen bis zu den Schläfen hinzog. Auf ihrer Wange war der Abdruck der Decke zu sehen.
    Mathilde dachte an ihre Tochter, die beim Abschied ein chinesisches Zeichen als Tätowierung auf der Schulter getragen hatte, das nur eines bedeutete: »Wahrheit«.
    »Komm«, flüsterte sie, »wir gehen.«

Kapitel 30
     
    »Was haben die mit mir gemacht?«
    Die beiden Frauen rasten über den Boulevard Saint-Germain. Der Regen hatte aufgehört, doch seine Spuren waren kaum zu übersehen: matt schimmernde Muster, Glimmerplättchen, überall blaue Flecken im abendlichen Vibrato.
    Um sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, sprach Mathilde in dem Ton, den sie in ihren Lehrveranstaltungen benutzte: »Eine Behandlung.«
    »Was für eine Behandlung?«
    »Vermutlich eine ganz neue Methode, mit der es gelungen ist, einen Teil des Gedächtnisses zu beeinflussen.«
    »Ist das möglich?«
    »Eigentlich nicht. Ackermann muss etwas erfunden haben, etwas Revolutionäres. Eine Technik, die mit Positronenemissions-Tomografie und zerebralen Lokalisationen zusammenhängt.«
    Während sie fuhr, warf sie immer wieder einen hektischen Blick auf Anna, die starr zurückgelehnt auf dem Beifahrersitz kauerte, Augen geradeaus, beide Hände zwischen den aneinander gepressten Schenkeln geborgen.
    »Ein Schock kann eine Teilamnesie hervorrufen«, fuhr sie fort. »Ich habe einen Fußballer behandelt, der bei einem Spiel eine Gehirnerschütterung erlitten hatte. Er erinnerte sich an einen Teil seiner Existenz, nicht jedoch an einen anderen. Vielleicht hat Ackermann ein Mittel gefunden, genau dieses Phänomen herbeizuführen, mithilfe einer chemischen Substanz, einer Bestrahlung oder irgendetwas anderem. Eine Art Wandschirm, der dein Gedächtnis abteilt.«
    »Aber wie haben die das mit mir gemacht?«
    »Meiner Meinung nach muss man die Lösung in Laurents Beruf suchen. Du hast vielleicht etwas gesehen, was du nicht sehen solltest, oder du weißt Dinge, die mit seiner Arbeit zusammenhängen. Vielleicht haben sie dich nur als Versuchskaninchen für ein Experiment benutzt... Alles ist möglich. Das ist eine verrückte Geschichte.«
    Am Ende des Boulevard Saint-Germain tauchte auf der rechten Seite das Institut du Monde Arabe auf. Wolken spiegelten sich an den Glaswänden.
    Mathilde war über ihre eigene Ruhe überrascht. Sie fuhr hundert, trug eine Pistole in der Handtasche, hatte nicht die geringste Angst - mit dieser kranken puppenhaften Frau neben sich. Eher eine distanzierte Neugier, die sich mit einer gewissen kindlichen Erregung mischte.
    »Kann mein Gedächtnis zurückkehren?«
    Anna sprach in eigensinnigem Ton. Mathilde kannte diese Redeweise, hatte sie tausendmal bei ihren Gesprächen mit Patienten in Sainte-Anne gehört. Es war die Stimme der Besessenheit. Die Stimme der Demenz. Mit dem Unterschied, dass in diesem Fall Wahnsinn und Wirklichkeit nicht voneinander zu scheiden waren.
    Sie suchte sorgfältig nach Worten: »Ich kann dir nicht antworten, ohne die Methode zu kennen, die sie verwendet haben. Wenn es chemische Substanzen sind, gibt es vielleicht ein Gegenmittel. Sind es chirurgische Eingriffe, dann wäre ich eher pessimistisch.«
    Der kleine Mercedes fuhr inzwischen am schwarzen Gitter des Zoos im Jardin des Plantes vorbei. Der Schlaf der Tiere, die Stille im Park schienen sich mit der Dunkelheit zu vereinen, sie schufen Abgründe des

Weitere Kostenlose Bücher