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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Außenwelt. Es ist möglich, diese Prägungen, ihren Ursprung und ihren Zeitpunkt zu untersuchen.«
    Er machte eine kurze, bescheidene Verbeugung: »Dieses noch recht unbekannte Gebiet ist meine Spezialität.«
    Mathilde dachte an ihre erste Begegnung mit Veynerdi im Rahmen eines Seminars über die Erinnerung auf Mallorca 1997. Die meisten Teilnehmer waren Neurologen, Psychiater, Psychoanalytiker. Sie hatten sich über Synapsen, Netze, das Unbewusste ausgetauscht und allesamt von der Komplexität der Erinnerung gesprochen. Dann, am vierten Tag, hatte ein Biologe mit Fliege das Wort ergriffen und sämtliche bisherigen Anhaltspunkte über den Haufen geworfen. Sich hinter dem Rednerpult aufrichtend, sprach Alain Veynerdi nicht mehr von der Erinnerung des Gehirns, sondern von der des Körpers.
    Der Wissenschaftler hatte eine Studie vorgestellt, die er mit Parfüm durchgeführt hatte. Die dauernde Beträufelung der Haut mit einer alkoholisierten Substanz hinterlässt in manchen Zellen Spuren und bildet ein spezifisches Signal, das selbst dann zurückbleibt, wenn der Mensch das Parfüm nicht mehr benutzt. Er hatte das Beispiel einer Frau zitiert, die zehn Jahre lang Chanel Nr. 5 benutzt hatte und deren Haut vier Jahre später noch die entsprechende chemische Handschrift trug.
    An diesem Tag hatten die Konferenzteilnehmer eine neue Erkenntnis gewonnen. Plötzlich wurde das Gedächtnis körperlich spürbar und konnte analysiert werden, chemisch, mit dem Mikroskop. Mit einem Mal erwies sich dieses abstrakte Gebilde, dem man mit Instrumenten moderner Technologie nicht beigekommen war, als materiell, berührbar, beobachtungsfähig. Eine Geisteswissenschaft wurde zur exakten Wissenschaft.
    Die tief hängende Lampe beschien Annas Gesicht, und trotz aller Müdigkeit ging von ihren Augen ein einzigartiger Glanz aus. Sie begann zu verstehen: »Was können Sie in meinem Fall finden?«
    »Vertrauen Sie mir«, antwortete der Biologe. »Ihr Körper hat im tiefsten Inneren seiner Zellen die Prägungen der Vergangenheit aufbewahrt. Wir werden die Spuren der Umgebung, in der Sie vor Ihrem Unfall gelebt haben, aufstöbern. Die Luft, die Sie geatmet haben. Die Überbleibsel Ihrer Ernährungsgewohnheiten. Die Handschrift des Parfüms, das Sie trugen. Auf die eine oder andere Weise sind sie noch die von früher. Da bin ich ganz sicher... «

Kapitel 32
     
    Veynerdi setzte mehrere Geräte in Gang. Der Schein der Leuchtdioden und Bildschirme ließ die wahren Dimensionen des Labors erkennen, ein großer Raum, unterteilt durch Glasbuchten und korkbezogene Trennwände, der mit zahlreichen Untersuchungsgeräten voll gestellt war. Die gekachelte Abtropfstelle neben dem Spülstein und der Nirostastahltisch reflektierten jede einzelne Lichtquelle in grünen, gelben, rosafarbenen oder roten Strahlenbündeln.
    Der Biologe wies auf eine Tür an der linken Wand: »Ziehen Sie sich bitte in dieser Kabine aus.«
    Anna verschwand hinter der Tür. Veynerdi zog sich Latexhandschuhe über, legte sterile Beutel auf die fliesenbelegte Arbeitsfläche und stellte sich hinter einen Versuchsaufbau. Er erinnerte an einen Musiker, der Glasorgel spielen will.
    Als Anna wieder auftauchte, trug sie nur noch eine schwarze Unterhose, ihr Körper wirkte krankhaft abgemagert. Es sah aus, als ob ihre Knochen bei der kleinsten Bewegung ihre Haut aufschürfen könnten.
    »Legen Sie sich bitte hin.«
    Anna stemmte sich auf den Tisch. Wenn sie sich anstrengte, wirkte sie kräftiger. Ihre Muskeln traten unter der Haut hervor und erregten den Eindruck von Kraft und Stärke. In dieser Frau verbarg sich ein Geheimnis, in ihr steckte eine dauerhafte Energie. Mathilde musste an eine Eierschale denken, hinter der sich die Gestalt eines Tyrannosaurus abzeichnete.
    Veynerdi zog eine Nadel und eine sterile Injektionsspritze hervor: »Zuerst nehme ich Ihnen etwas Blut ab.«
    Er stach die Nadel in Annas linken Arm. Keinerlei Reaktion. Er runzelte die Stirn und fragte Mathilde: »Haben Sie ihr Tranquilizer gegeben?«
    » Ja. Tranxen, intramuskulär. Sie war heute Abend sehr aufgewühlt ... «
    »Wie viel?«
    »Fünfzig Milligramm.«
    Der Biologe verzog das Gesicht. Diese Injektion würde seine Untersuchungen stören. Er zog die Nadel zurück, klebte ein Pflaster in die Armbeuge und begab sich hinter den Labortisch.
    Mathilde verfolgte jede seiner Bewegungen. Er mischte nun das Blut mit einer hypotonischen Lösung, um die roten Blutkörperchen zu zerstören und ein Konzentrat weißer

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