Das Implantat: Roman (German Edition)
»Aber wenn man voll drauf ist, kommen die Entscheidungen von so weit unten …
Himmel.
Das Implantat lässt uns tiefer in unsere Seele eindringen. So tief drinnen sind wir zu allem fähig. Dann zählt richtig oder falsch nicht mehr.«
»Ein Freund von mir hat mal gesagt, dass man Gutes tut, wenn man gut ist. Wenn nicht, dann nicht.«
»Lass dir von Jim nichts erzählen, Owen. Jeder von uns hat einen Killer in sich.«
Ich sehe dem Cowboy einen Moment dabei zu, wie er auf und ab geht, und versuche abzuschätzen, wie ernst er es meint. »Wir sind Menschen, Lyle, keine Engel. Dem Zenith kannst du nicht die Schuld geben. Wenn überhaupt, bürdet er uns größere Verantwortung auf. Immerhin haben wir auch größere Handlungsmöglichkeiten.«
Rauchend blickt Lyle die Straße hinab. Ich achte nicht mehr auf die vorbeiflatternden Grashüpfer und auf die Slalom fahrenden Autos und spüre, wie mein Herz schneller schlägt. Wenn Lyle ernsthaft glaubt, dass er jenseits von Gut und Böse ist, habe ich ein echtes Problem.
Schließlich dreht Lyle sich um und klopft mir auf die Schulter. »Vielleicht hast du recht«, meint er und steuert auf die Seite des Restaurants zu. »Denn ich muss pissen, dass mir fast die Blase platzt, und das Problem haben Engel wohl nicht.«
Lyle und ich fahren ein paar hundert Meilen Richtung Nordwesten, dann biegt der Cowboy schweigend von der Bundesstraße ab. Dreißig Minuten später erreichen wir eine unbefestigte Straße, die von rostigem Stacheldraht gesäumt wird. Wir folgen ihr, bis wir zu einem Sattelschlepper kommen, der am Straßenrand steht.
Lyle steigt so hart in die Eisen, dass der Schotter aufspritzt. Als wir aussteigen, werden wir praktisch von der riesigen Staubwolke verschluckt, die wir die ganze Zeit hinter uns hergeschleppt haben. Im dichten Dunstschleier ragt der Sattelzug vor uns auf wie ein ruhender Dinosaurier.
»Boxenstopp«, sagt Lyle.
Wir müssen irgendwo in Missouri sein. St. Louis dürften wir noch nicht erreicht haben. Also haben wir erst ein Viertel des Weges nach Detroit hinter uns. »Wir haben keine Zeit«, gebe ich zu bedenken.
Es sind nur noch vier Generäle im ganzen Land übrig, die sich um den Schutz der Amps kümmern, und einer von ihnen könnte jede Sekunde in einen Hinterhalt geraten.
»Es ist es wert«, antwortet Lyle lakonisch.
Der hintere Teil des Sattelschleppers steht schief, die Räder sind tief in den roten Prärieboden eingesunken. Er hat wohl den einen oder anderen Regensturm mitgemacht, und jetzt steht er da wie ein Bulle, der sich am Stacheldraht jucken will. Hinter dem Zaun wiegt sich das braune Präriegras im Wind. War ein langer Tag, den wir da auf der Straße verbracht haben.
Bald versinkt die Sonne hinter dem Horizont, und die Klapperschlangen können nach Hause gehen.
Als wir uns weiter nähern, sehe ich, dass ein alter Generator hinter dem Sattelzug rattert. Daneben sitzt ein halbes Dutzend von Lyles Soldaten im Schatten des großen Fahrzeugs. Ein paar von ihnen teilen sich eine elektronische Zigarette, deren LED -Spitze bei jedem Zug schwach aufleuchtet. Sie grüßen Lyle mit knappem, militärisch anmutendem Nicken.
Lyle legt seine blutverkrustete Hand auf den Riegel, der die Ladetüren des Sattelzugs verschließt. Er lächelt mich schlau an und zieht dann mit einem heftigen Ruck an dem Verschluss.
Die Türen schwingen auf, und aus dem Innern kommt mir ein Schwall gekühlter Luft entgegen. Der Geruch von Desinfektionsmittel steigt mir in die Nase, und ich fühle mich mit einem Mal an die Praxis meines Dads erinnert. Blinzelnd versuche ich, mir darüber klar zu werden, was ich da vor mir sehe.
Sieht aus wie ein mobiler Operationssaal.
Ganz hinten im Laderaum steht ein Mann in OP -Klamotten und sieht uns mit großen Augen an. Mehrere durchsichtige Plastikvorhänge trennen uns von ihm, doch er wird von hellen Scheinwerfern angeleuchtet, die an der Decke hängen. Vor dem Mann sitzt jemand mit dem Gesicht nach unten auf einem mit Papier abgedeckten Massagestuhl.
Mit seinen Latexhandschuhen winkt uns der Mann ungeduldig ins Innere, damit nicht noch mehr von der kühlen Luft entweicht.
Lyle schubst mich sanft nach vorne, und ich steige auf die Anhängerkupplung und klettere in den Wagen. Lyle folgt mir, und zusammen stehen wir kurz darauf in der großen quadratischen Frachtluke.
»Macht wieder zu«, befiehlt der Mann, dessen Stimme durch die OP -Maske gedämpft wird.
Lyle schließt die Türen. Der Mann zieht eine Augenlupe
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