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Das Implantat: Roman (German Edition)

Das Implantat: Roman (German Edition)

Titel: Das Implantat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel H. Wilson
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werden. Von meinen neuen Augen und Ohren.
    »Valentine hat das Sagen über das gesamte Gebiet um Detroit?«, frage ich Lyle. »Und trotzdem wohnt er in einer dieser Bruchbuden?«
    Lyle kommt mit vorsichtigen Schritten über den Bürgersteig. Legt den Finger auf die Lippen. Zeigt auf das Haus.
    Ich starre auf das einsame dunkle Fenster, und plötzlich läuft grelles weißes Licht wie eine Welle über die Fassade. Auch das schwarze Fenster hellt sich plötzlich zu einem grauen Rechteck auf, so dass ich ganz kurz etwas darin erkennen kann. Ich zucke erschrocken zusammen, und schon verblasst der blendende Schein wieder. Das Netzhautimplantat verfügt über eine Art automatische Belichtung, die ständig eingeschaltet ist. Ich schließe die Augen, um sowohl das überbelichtete Gebäude als auch etwas anderes nicht mehr sehen zu müssen.
    Eine verwachsene, menschenartige Gestalt steht im Fenster.
    »Valentine
hat
das Sagen«, flüstert Lyle, während er mit den Fingerknöcheln knackt und die Bretter mustert, mit denen die Tür vernagelt ist. »Im Vergleich zu den anderen Vierteln ist das hier Beverly Hills. Im ganzen Südwesten Detroits gibt es Slums wie diese. Sonst können die Amps ja nirgends hin.«
    Die halb verfallenen Häuserreihen befinden sich in der Mitte eines verlassenen Gewerbegebiets. Manche der Fenster sind leer und von einem spitzen Rußgiebel gekrönt. Wenigstens wurde der größte Teils des Unrats, der auf der Straße liegt, zu Haufen aufgeschichtet oder verbrannt. Wie große Kunstinstallationen sind die Haufen aus Plastik, Glasscherben und Altmetall über den Asphalt verteilt.
    Ich folge Lyle weiter den Häuserblock hinab. Holzfäule und die beständige Arbeit der Elemente haben dafür gesorgt, dass die Veranda des Nachbarhauses sich wie eine Rutschbahn zu Boden neigt.
    »Lass mich hier mal nachschauen«, meint Lyle.
    »Bist du sicher, dass er uns erwartet?«, frage ich.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass ich ihm Bescheid gegeben habe. Aber von zwölf Zenith-Trägern sind nur noch fünf übrig. Er wird wohl keinem mehr einfach so die Tür aufmachen. Selbst einem guten Freund wie mir nicht.«
    »Wo sind Stilman und Daley?«, erkundige ich mich. Seit ihrer kleinen Abstimmung sind die anderen Generäle nicht mehr in Eden aufgetaucht. Haben wohl zu viel damit zu tun, die Amps des Landes zu beschützen, nehme ich an.
    »Sie sind auch hier. Sehen an ein paar anderen Orten nach.«
    Lyle schenkt mir ein nikotinverfärbtes Lächeln. Ich habe keine Zeit zu fragen, warum wir so vorsichtig sind, denn er ist bereits auf dem Weg zu dem Haus. Mit behutsamen Bewegungen steigt er die verfallenen Steintreppen hinauf. Als er sich vorbeugt, um durch ein gesprungenes Fenster zu schauen, sehe ich dunkles Metall unter seiner Jacke glänzen. Hinten in seinem Hosenbund steckt eine Waffe. Plötzlich breitet sich Taubheit in meinen Schultern aus – die ganze Sache fühlt sich nicht gut an.
    Die ganze Gegend hier fühlt sich nicht gut an.
    Gras und Bäume wirken verwachsen und tot. Die Luft ist so verschmutzt, dass man bei jedem Atemzug ein metallisches Brennen in der Kehle spürt. Über allem liegt eine rostfarbene Schmutzschicht: über dem Asphalt, den Bürgersteigen, den verlassenen Autos und Wohnwagen, die am Rand der leeren Straßen stehen. Unter dem bedeckten Himmel, an dem die tiefstehende Sonne nur als gleißender Fleck zu erkennen ist, fühlt sich die ganze Szenerie an, als gehörte sie zu einer anderen Welt, als befänden wir uns auf dem Mars.
    Und ich kann fühlen, dass wir beobachtet werden.
    Wie Geister tummeln sich überall in der Straße Familien auf den baufälligen Veranden. Auch in den Häusern halten sich Menschen auf und spähen durch die kaputten Fenster nach draußen. Ein Junge zeichnet auf seinem Rad träge Kringel in den roten Schmutz und sieht dabei immer wieder mit finsterer Miene zu uns herüber. In den gemeinschaftlichen Gärten hinter den Reihenhäusern bellen unsichtbare Hunde.
    Anderer Ort, selbe Story. Die Familien gleichen denen in Eden. Normale Menschen, die zufällig ein Stück Technik unter der Haut tragen und deswegen nirgendwohin anders können. Im Laufe der Monate müssen sie aus den Vororten und ländlichen Gebieten an diesen Ort sowie Hunderte andere Orte geströmt sein, die so ähnlich sind. Amps ohne Jobs und ohne Verwandte, an die sie sich wenden können.
    Lyle blickt mit über den Augen gewölbten Händen zu einem staubigen Fenster hinein und redet leise mit mir. »In einem dieser Häuser

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