Das Impressum
einem kaiserlichen Korvettenkapitän in den Hintern, und Hermann tat ein gleiches, nur tat er es mit einem französischen Bauern.
Im Dezember noch desselben Jahres schlug dem Xaver eine Gardekorpskugel auf der Berliner Chausseestraße durchs Schlüsselbein, und Hermann machte seinen Anstellungsbesuch beim Klempnermeister Schütt in Ratzeburg, er hatte sich dazu das Vorknöpfhemd seines Vaters ausgeliehen.
In Rosas letzter Stunde war Xaver insofern noch gut dran, als man ihm nur drei Rippen eingetreten hatte; Hermann hörte von der Sache am Landwehrkanal durch den Schneidermeister Seeger, der sich an diesem Tage gleich zweimal erlöstfühlte, zum einen wegen der Sache am Landwehrkanal und zum anderen, weil der Ausguß nun wieder Zug hatte, dank Hermann.
Neunzehnhundertfünfundzwanzig hatte Hermann genug von verstopften Ausgüssen und maulenden Hausfrauen und ging für zwölf Jahre zur Reichswehr; er war der viertbeste unter hundert Bewerbern, und neunzehnhundertsiebenunddreißig war er Stabsfeldwebel, aber den Einmarsch in die Sudeten verpaßte er, denn da war er schon Finanzanwärter im Amt zu Ratzeburg.
Xaver hatte indessen eine weniger gediegene, dafür aber um so intensivere und variiertere Erfahrung mit Waffen gesammelt: Bei Hettstedt hatte er mit einer Mauser geschossen und war mit einer Parabellum ins Bein geschossen worden, in Neukölln hatte er mit einem Stuhlbein hantiert, und eines Stuhlbeines wegen war seine Nase nicht mehr ganz gerade seit einer Diskussion im Friedrichshain, nicht einmal die Hundepeitsche im Columbiahaus hatte das wieder gerichtet, und in Sonnenburg schlugen sie eher mit Ochsenziemern und lieber in die Nierengegend.
Als der ausgemusterte Stabsfeldwebel Hermann Groth dem Aufnahmediktat eines Ratzeburger Finanzsekretärs zu folgen versuchte, kommandierte Xaver Frank aus Würzburg ein Bataillon; das war vor Teruel, und das liegt in Spanien.
In Stalingrad hätten sie einander beinahe getroffen, doch es kam nicht dazu, obwohl Hermann trotz der Kälte noch recht ordentlich zielte und obwohl Xaver eigentlich laut und deutlich genug in sein Mikrophon sprach.
So trafen sie sich nie, denn als Hermann noch Holz in den Wäldern an der Lena schlug, verscharrte Xaver bei Oderberg seinen Fallschirm, und als Hermann Groth, jetzt selber Finanzsekretär, dem Schneidermeister Seeger einen Steuerbescheid schickte, Ratzeburg, Hindenburgstraße neunzehn, da wohnte Xaver Frank in Berlin am Majakowski-Ring, und nach Ratzeburg durfte er längst nicht mehr. Zweimal unsereins und nicht ganz so sehr eines.
Unter unseren Oberen sitzen viele vom Schlage des Xaver Frank, und im Volke, das nun sie leiten, sind viele vom Schlage des Hermann Groth, aber vor der umgewälzten Geschichte wäre es purer Aberwitz, wenn wir nicht spätestens aus dem so und so mißglückten Stalingrader Treffen zwischen Frank und Groth gelernt hätten, was da zu lernen war: daß unsereins auf unsereins hören muß.
Nur leider, der Aberwitz ist am Tage und beherrscht noch des Tages Ordnung, ab Ratzeburg westwärts, und ab Ratzeburg ostwärts gibt es immer noch manchen, der immer noch nicht den Unterschied zwischen dem Herzog von Friedland etwa und etwa dem Xaver Frank begriffen hat, obwohl er doch leicht selbst ein Xaver Frank hätte sein können, nie aber Herzog von Friedland.
Ein Mitglied der Obersten Abteilung ist ein anderes Tier, heißt es da, nämlich ein hohes und also ein anderes, und ein Minister ist es auch.
Und manche kommen ins Schielen, wenn ein Minister kommt, und manche kommen in langwährendes Stottern, wenn man ihnen mit einem Ministerposten kommt. Zum Beispiel ich.
Zum Beispiel ich, David Groth, Urenkel vielmal eines Troßjungen und Tagelöhners aus dem siebzehnten Jahrhundert, Sohn des Wilhelm Groth aus Ratzeburg, Neffe des Stabsfeldwebels und inzwischen Finanzamtmanns Hermann Groth von ebendort, Ehemann der Franziska Groth, Fran genannt, Ex-Kommandeur einer Zentralen Ordnergruppe, extern studierter Diplom-Journalist, Parteimitglied seit zwanzig Jahren, seit vier Jahren Erstgenannter im Impressum der Neuen Berliner Rundschau, ich, David Groth, zum Beispiel möchte nicht Minister werden.
Aber ich glaube, ich muß mir das alles noch einmal und in Ruhe und dann mit System überlegen.
2
Wenn man weiß, daß David Groths Vater Wilhelm hieß, und wenn man dazu noch weiß, daß der Kaiser, unter dessen Regentschaft Wilhelm Groth geboren wurde, auch Wilhelm hieß, und wenn man zu dem nun erfährt, daß der Dienstherr, in
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