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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Abraham vielleicht oder gleich Moische?
    »Mein Vater heißt Wilhelm«, sagte David Groth.
    »Oh«, sagte der Mensch namens Kasten, »o ja, Wilhelm Groth, das hätte ich mir denken sollen, da komm doch gleich ein Stück näher, mein Geliebter, da setze dich doch sofort hier in die erste Bank, näher heran zu mir, Geliebter mein, komm in meine Fürsorge und in meine Reichweite, wenn du ein Sohn von diesem Groth bist, von diesem Wilhelm Groth ein Sohn, der David heißt!«
    Und die Mitschüler Davids und eigentlich auch David selbst erfuhren an diesem Tag und an vielen anderen Tagen noch, umwen es sich handelte bei diesem Wilhelm Groth, denn der Mensch, der Kasten hieß, wußte es ganz genau: Der Wilhelm Groth war ein Mitesser in der großen krummen Nase eines gewissen Blumenthal gewesen, der Lakai von diesem Itzig, dem stadtbekannten Hetzer aus der Systemzeit, der schon in den Kampfjahren den Volksgenossen Wolter einer nationalen Rede wegen bedroht und später dann, vor wenigen Wochen erst, aus unzähmbarer Wut über die gelungene Erhebung des deutschen Volkes einen Anschlag auf das Leben des Volksgenossen Wolter versucht habe, wobei er freilich umgekommen sei, denn der Volksgenosse Wolter habe gezeigt, wie ein deutscher Mann sich zu wehren wisse gegen unarische Meuchler, und vor Gericht sei das alles erwiesen worden, erwiesen worden sei dort aber auch, daß ein artentfremdetes Element, Wilhelm Groth mit Namen, versucht habe, den Hergang des Überfalls in sein Gegenteil zu verkehren und den Goldschieber Blumenthal in ein Opfer zu verwandeln, als Leumundszeuge gar sei dieser Groth vor das Gericht getreten, ein angeblicher Deutscher als Leumundszeuge für einen Juden vor ein deutsches Gericht, und mit Vornamen habe der Jude David geheißen, und wie aber nun heiße der Sproß jenes Groth, der Dienstwurm bei dem David Blumenthal gewesen sei, nun, wie heißt er?
    »Steh auf, du, und sag, wie du heißt!«
    »David Groth«, sagte David.
    »Richtig, mein Geliebter, so heißt du denn wohl – und nun sag uns noch, was macht denn dein Vater jetzt?«
    »Der arbeitet«, sagte David.
    »Und ob der jetzt arbeitet!« sagte der Mensch namens Kasten.
    Wilhelm Groth hatte weder allzu schlau noch gar unterwürfig sein wollen, als er seinen Sohn auf den Namen seines Brotherrn taufen ließ; er hatte an ein Geschenk gedacht und auch an Wohlwollen, aber wäre das Geschenk ausgeblieben oder kleiner ausgefallen, als es dann ausfiel, er hätte sich nicht erregt – was man sich selber dachte, war nicht immer das, was sich andere dachten, und der Herr Blumenthal hatte seineSorgen und seine Launen wie jeder Mensch, und David, das war in jedem Falle ein schöner Name. Er war auch nicht mit ausgebreiteten Armen und aufgerissenem Hemd in das Gericht gelaufen; er wollte dort nur seine Ansicht sagen, das schien ihm nötig, denn in den Zeitungen standen andere, von denen er nichts hielt.
    Natürlich begriff er, daß ihm Unrecht geschah, aber da er wußte, um wieviel mehr Unrecht dem Herrn Blumenthal geschehen war und geschah, mit seinem Tode und noch danach, raubte es ihm nicht die Besinnung und nicht die Besonnenheit, daß ihm sein Gutsagen für den toten Blumenthal wüste Beschimpfungen eintrug und einen Pritschenplatz in den Wüsteneien eines Lagers. Er konnte ein Auto fahren, und das konnten in dieser Zeit noch nicht so viele; da hielt er es aus.
    Er sorgte sich auch nicht übermäßig um seine Frau; die war immer ängstlich gewesen, und wenigstens war sie so nicht überrascht, als dann das Böse kam; sie würde es auch aushalten.
    Nur an den Jungen konnte er nicht ruhig denken. Der war so klein, und die Stadt, in der er jetzt gerade zur Schule gekommen war, war auch so klein, so klein, daß selbst schon ein Beinbruch Gesprächsstoff war; dem Jungen würden sie zusetzen, dessen Vater in einem fernen Steinbruch arbeitete, dieser Judengeschichte wegen. O David, Kleiner …
    Aber auch David hielt es aus. Das Glück half ihm dabei, das Glück, den richtigen Feind gefunden zu haben. Denn dieser Mensch namens Kasten, sein Lehrer, war nicht nur eine Schweineseele, er war auch erleichternd dumm. Er verstand nichts von der Strategie der Bündnissysteme; er drosch nicht gezielt, sondern blindlings und also nicht nur den Schüler Groth; er gab sich Blößen, die nicht nur David sah, seine mickrige Herrschsucht war auf die Dauer unteilbar, und da er es zugleich doch nicht lassen konnte, David Großanteile seiner dämlichen Strafmandate zuzumessen, hatte er

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