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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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dessen Lohnlisten Wilhelm Groth stand, als ihm sein Sohn, den er dann David nannte, geboren ward, daß dieser Dienstherr ebenfalls David hieß, dann wird man vermuten dürfen, Wilhelm Groth habe sich bei der Namensgebung für seinen Sohn Nüchternes gedacht, weniger Lauteres auch als nur: David Groth, das klingt ganz gut, a, i, o ist irgendwie so musikalisch, und man wird den Gedanken als allzu literarisch verwerfen können, Wilhelm Groth habe das a, i, o womöglich weiter- und umgedacht zu o, i, a, nämlich Goliath, habe dem Namen seines Sohnes biblische Geschichte eingelautet und die Hoffnung dareingesetzt, dieser da, sein Jüngster und sein Ältester zugleich, dieser David Groth möge werden David und Goliath in einem und also unbesiegbar; man wird ihn verwerfen müssen, diesen Gedanken, und den, der Vater habe in der Wahl des Namens für seinen Sohn die Sehnsucht, den Traum der immer Besiegten ausdrücken wollen, diesen nun gar lasse man schleunig fallen, denn kurz ist der Gedankenweg zwischen dem Namen, den ein Dienstherr trägt und den ein Dienstbote wählt, ebendenselben, wenn ihm ein Sohn geboren wird, kurz ist dieser Weg und übersichtlich, er führt oder soll doch führen zu des Herren Huld, will sagen: zu des Herren Geld, und ist schon, wo er gezogen ist zwischen einem David Groth und einem David Blumenthal, um vieles mehr ein Wirtschaftsweg als jener, der zwischen Wilhelm Groth und Wilhelm dem Imperator verlief, denn den Kaiser erreichte die Kunde nicht, daß ein Groth seinem Sohn denNamen des Kaisers gegeben habe, aber den Herrn Blumenthal erreichte solche Kunde schon, er erfuhr sie aus erster Hand, vom Vater nämlich, und er sagte: »Nun, das ist nett von Ihnen, Groth, und wenn Kindtaufe ist, sollen Sie schon sehen, daß ich Ihnen dankbar bin.« Und Wilhelm Groth, Chauffeur bei David Blumenthal, Zahntechnische Laboratorien, sah. Er sah die Kindtaufschmaustafel gedeckt für zweiundzwanzig Personen, gedeckt, finanziell jedenfalls, von Herrn Blumenthal. Er sah ein Sparkassenbuch, eingetragen auf den Namen David Groth, offen für einen auf einundzwanzig Jahre geplanten monatlichen Eintrag von zwanzig Reichsmark, abhebbar erst bei Erlangung der Volljährigkeit des Inhabers durch ebendenselben. Er sah ein notariell beglaubigtes Schreiben des Herrn Blumenthal, in dem der Unterzeichnete sich verpflichtete, für alle aus einem eventuellen Gymnasial- beziehungsweise Universitätsbesuch direkt entstehenden Kosten von Beginn der vorstehend bezeichneten Studien bis zu ihrem ordnungsgemäßen Abschluß voll aufzukommen.
    Er sah eine silberne Taschenuhr, gefertigt von der Firma IWC, Switzerland, und mit der Gravur versehen: »Für David Groth von David Blumenthal«.
    Er sah keine Vorbehalte, keine Auflagen, keine Wenns und Abers, keine Einschränkungen für den Fall, daß, keine Rückzugsklauseln, er sah überhaupt keine Klauseln, und in der Kirche sah er auch Herrn Blumenthal nicht, denn Herr Blumenthal war eines anderen Glaubens und hatte an einem lutherischen Taufstein nichts zu suchen.
    Und was sah David? Keiner weiß es, auch David nicht, denn zum ersten hat er alle Feierlichkeit verschlafen, hat nur ein- oder zweimal geblinzelt, nachdem ihm etwas Kaltes und Nasses auf die Stirn gefallen war, hat dann aber wieder weder gesehen noch gehört, hat weder das Brimbamboriabim des Herrn Superintendenten gehört noch all die vor allem sein Näschen betreffenden Komplimente der Taufgesellschaft und auch nicht die Orgel im Dom zu Ratzeburg und hatauch nicht die blauen und auch hier ein wenig ängstlichen Augen seiner Mutter gesehen oder den merkwürdig blankschwarzen Anzug seines Vaters oder gar den Herrn Blumenthal, der an der Ecke des Stiftsweges gestanden hat, kurz vor dem Domhof – niemand hat den Herrn Blumenthal gesehen, und so sollte es auch sein –, und zum zweiten weiß David von alledem auch nicht, weil niemand weiß von dem, was mit ihm und um ihn geschah, als er vierzehn Tage alt gewesen ist.
    Aber David sollte daran erinnert werden.
    Er wurde an etwas erinnert, das er nicht wußte, und zuerst war das ein freundliches Erinnern. Immer, wenn sein Vater das Meisterwerk der International Watch Company aufgezogen hatte, er tat es an jedem Abend, und manchmal war David dann noch wach, ließ er die Uhr vor den Augen seines Sohnes pendeln und sagte dazu: »Die hat dir der Herr Blumenthal geschenkt!« So kam es, daß eine lustig blitzende Helle und das fröhliche Gesicht seines Vaters in Davids Kopf eins wurden mit

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