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bald aus seiner Klasse ein gegnerisches Heer gemacht, ein Heer mit einem mächtig erfahrenen, weil oftmals geschlagenen Führer.Als Wilhelm Groth aus dem Lager kam, sie hatten ihn schon nach zwei Jahren als belehrt entlassen, fand er eine Frau, die recht behalten hatte mit ihrer Angst und deshalb seltsam sicherer war, und einen Jungen, um den er sich nicht zu fürchten brauchte. Der lernte gut, nicht übermäßig eifrig, aber so, daß er wenigstens dort unangreifbar war, wo man es sein konnte, wenn man selbst dafür sorgte; der war nicht sehr stark, aber schnell und findig; der war nicht gerade das, was man artig nannte, und seine Freude, den Vater wiederzusehen, war nicht überschwenglich, aber die Freude war da, still und fest, und das machte Wilhelm Groth sehr ruhig.
Er fuhr nun einen Lastwagen in einer Zementfabrik, und über Herrn Blumenthal sprach er nicht mehr; das dürfe er nicht, sagte er, wenn einer davon etwas hören wollte, denn der Herr Blumenthal habe einen Zusammenhang mit jener Tätigkeit, die er in den vergangenen zwei Jahren ausgeübt habe, und über die sich nicht zu äußern habe er sich verpflichten müssen, schriftlich, »also lassen wir das, denn wer will schon Geschichten hören, die plötzlich aufhören müssen, und wer will schon solche Geschichten erzählen? Ich nicht.«
Das hatte er auch seinem Bruder Hermann gesagt, als der einmal an einem späten Abend und in Zivil zu ihm gekommen war, verstohlen und lächerlich ängstlich für einen Militär, und später fragte sich Wilhelm Groth manchmal, ob das richtig gewesen war. Soviel Hermanns stumpfen und nie ganz passenden Worten zu entnehmen war, hatte auch er seine Schwierigkeiten gehabt; er hätte schon Oberfeldwebel sein können ohne den Prozeß und den Bruder im Steinbruch, und wenn sein Regimentskommandeur nicht gerade der Graf Rantzau gewesen wäre, hätte er längst wieder in den Klempnerladen gemußt. Aber der Graf und Oberst hatte für den Stadtverordneten Wolter, den Geschäftsführer der städtischen Abdeckerei, ebensowenig übrig gehabt wie für den jüdischen Zahngoldhändler, und Uniformen, die nicht im Reibert standen oder in Knötels Handbuch, waren zivilistischer Plunder und ihm ein Greuel; das galt auch für das braune Kostüm,in dem der Abdecker Wolter vor Gericht erschienen war. Der Graf hatte seinem Feldwebel bedeutet, daß Kontakt zu in Prozeß verwickelten Familienteilen zu meiden sei, und ihn dann wieder auf die Rekruten losgelassen.
Wenn Hermann Groth dennoch eines Abends vor seines Bruders Küchentür gestanden hatte, so nur, weil er auf seine tolpatschige Art David liebte. Den wollte er sehen, nicht so sehr seinen Bruder, diesen immer etwas spöttischen Älteren, und schon gar nicht die Schwägerin, die ihm mit ihrer ewigen Angst fast unheimlich war und ihm immer nur Vorwürfe machte, wenn er wieder etwas Feines und richtig Schönes mit David veranstaltet hatte. Oder war es etwa nicht eine richtig feine Veranstaltung gewesen, als er sich den Anderthalbjährigen unter den Mantel geknöpft hatte, auf seine 500er Triumph gestiegen und einmal rund um Ratzeburg gefahren war, einmal rum mit einem Radius von dreißig Kilometern, was dann auf zweihundert Kilometer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Schwerin hinauslief und auf einen unverständlichen Krach mit der Schwägerin? Oder war die Veranstaltung nicht schön fein, wo sie zu einer Molkerei bei Mölln getuckert waren und dort beinahe vier Pfund Kümmelkäse gegessen hatten, David allerdings bloß ein knappes Pfund, und es hatte nichts gekostet, weil dem Molker sein Sohn Rekrut bei Hermann Groth gewesen war? Oder die Veranstaltung im Wald bei Segeberg, wo der Unteroffizier Groth seinem Neffen mal so richtig schön gezeigt hatte, wie Handgranaten bullern, wenn man sie in die Tannen wirft, war das nicht vielleicht ein feiner Spaß gewesen? Die Schwägerin hatte keine Vorstellung, was man alles veranstalten mußte, um so zwei Handgranaten beiseite zu zappzerappsen, aber er hatte es riskiert, wegen dem David, der lachte immer so schön fein.
Die Schwägerin hatte auch keine Vorstellung von dem, was er riskierte, indem er zu ihnen kam, wo der Wilhelm mal gerade so aus dem Konzertlager raus war, und nun wollte er den Bengel auch sehen, schlafen konnte der noch sein Leben lang, aber seinen Onkel Hermann hatte er wohl kaum seinLeben lang, denn der war nun mal Soldat, und irgendwann würden sie wohl was veranstalten, was mehr bullerte als die beiden Granaten im Segeberger
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