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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Klinger, war auch ein kaum vergangenes Ebennoch.
    Damals – und erst dieses Damals klang nach Urferne –, damals lag der Tiergarten noch nebenan und war eine zweihundertfünfzig Hektar große Wüste. Ironischer Zeitlauf hatte den weiten Park im Dreieck zwischen den S-Bahn-Stationen Zoo, Lehrter Bahnhof und Potsdamer Platz, eine preußische Sonntagsweide, auf der es Waffen fast so viele wie Verbotstafeln gegeben hatte, denn beinahe zwischen je zween Fliederbüschen hatte ein bronzener Brandenburger mit dem Säbel gefuchtelt oder sich vielsagend an ein Kanonenrohr gelehnt – ironischer Zeitlauf hatte dieses Zeughaus im Grünen für ein Stück Frühjahr zum Schlachtfeld gemacht; Gräben hatten ihn durchzogen, so lang insgesamt wie Spree und Landwehrkanal, die ihn auf zwei Seiten umschlossen; aus Bunkerlöchern aufgeworfene Erde war über Rabatten geschaufelt worden; Granaten hatten Bäume gerodet und Gewehrgeschosse die Emailleschilder getroffen, auf denen zu lesen stand, wie wertvoll und selten die Bäume gewesen waren; Truppen dieser und jener Couleur hatten hier Biwaks aufgeschlagen, und Trecks von Flüchtigen hatten sich nicht gekümmert um gärtnerische Liebesmüh, und ihnen, den schießenden Fliehenden und denschießenden Verfolgern und den Flüchtlingen vor den Schüssen der einen wie der anderen, waren die Hungrigen des Friedens gefolgt und die Frierenden der neuen Krise, und wie zum Hohn blieb der Ödnis ihr Name: Tiergarten.
    Aber er lag nebenan, und in der Mittagspause konnte man sich in ihm die Beine vertreten oder auch lahmlaufen, weit genug und ruppig genug war er dazu.
    David war alleine durch die Wildnis jenseits der Wilhelmstraße gegangen und hatte mit Steinen Fußball gespielt, ohne Rücksicht auf die schonungsbedürftigen Schuhe, weil aus Wut auf Penthesilea, die wilde Chefin, die wieder einmal recht behalten hatte, und beinahe hätte er Carola Klinger einen Ziegelbrocken ins breite Kreuz gefeuert.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er, »was machen Sie denn, spielen Sie Verstecken?«
    Sie hockte an der Erde, sah kaum zu ihm auf und schimpfte: »Eine Bande ist das, das sind Verbrecher, Menschenfresser sind das, sehen Sie sich das an!«
    »Das sind keine Menschenfresser«, sagte er und kniete sich neben sie und das Kaninchen in der Schlinge, »das sind Karnickelfresser.«
    Jetzt erst sah sie ihn an, gerade und wütend. »Ist das vielleicht Ihre Mörderschlinge?«
    Er befreite das Tier, das klug genug gewesen war stillzuhalten und sich auch jetzt kaum regte. »Nein, wo sollte ich so einen feinen Draht herkriegen? So blank hab ich keinen gesehen seit Großdeutschland. Und ich eß die Biester nicht.«
    Er richtete sich auf und sie auch, und er gab ihr das Kaninchen. »Sie haben es befreit, jetzt können Sie damit machen, was Sie wollen. Das ist heute die Regel.«
    »Ich will’s nicht.«
    »Dann lassen Sie es laufen, damit es in die nächste Schlinge hopst.«
    »Meinen Sie, hier sind mehr?«
    »Meine ich. Es geht doch keiner mit nur einem Stückchen so neuen Drahts hier in die Steppe und dreht eine einsameSchlinge. Wer so einen Draht hat, das ist ein Industrieller. Wollen wir suchen?«
    Sie ging sofort los, den Blick auf den Boden gerichtet.
    »So finden Sie nichts«, sagte er, »Schlingen werden nach einem Muster gelegt, nach einem Plan, und nach demselben Plan müssen wir sie auch suchen.«
    »Dann sagen Sie den Plan!«
    »Die Dinger sitzen an ähnlichen Stellen wie diese hier. Dies ist ein Durchschlupf durch den traurigen Rest einer Hecke; davon gibt’s hier viel, und da sehen wir nach. Ihr Mörder ist ein Taktiker.«
    »Und den Draht, lassen wir den dran?«
    »Den einen hier; da hängen wir eine Botschaft ran, damit der Karnickelmeuchler einen Schreck kriegt.«
    Er schrieb mit Rotstift auf einen Zettel »Du Faschist!« und darunter »David«.
    »Und wie heißen Sie?«
    Sie sah auf das Geschriebene und zögerte. Dann sagte sie: »Carola.«
    »Auch was Schönes«, sagte er und schrieb den Namen. Dann befestigte er den Zettel an der zusammengezogenen Schlinge.
    »Warum denn gleich Faschist?« fragte sie.
    »Sie sind gut, eben war er noch ein Verbrecher und Menschenfresser, und bei Faschist werden Sie betulich.«
    »Weil es politisch ist«, sagte sie.
    »Nee«, sagte er, »nun nicht schon wieder eine Diskussion über den Umgang mit Menschen! Sind Sie eine Schwester von Penthesilea?«
    »Von wem?«
    »Penthesilea, frühere Amazonenkönigin und jetzige Chefin von dem Haus da drüben; da arbeite ich.«
    »Da

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