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Das Impressum

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Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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arbeite ich auch«, sagte sie, »aber bei uns heißt die Chefin Petersilie. Keiner weiß, warum, aber jetzt merke ich, das war wohl bloß ein Hörfehler. Bei uns in der Rotation ist Krach. Wo arbeiten Sie denn?«
    »Das ist ein düsteres Kapitel: Innereien – Redaktion für Inneres, das vielfältige, neuerblühende Leben in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, zur Zeit haben wir es mit Adolf Hennecke, ich träume schon von seinen dreihundertsiebenundachtzig Prozent.«
    »Dann kennen wir uns also doch«, sagte sie, »ich hab Sie schon mal gesehen.«
    »Das schmeichelt mir«, sagte er, »aber gehen wir nun mal ’n paar Prozent Schlingen suchen, und wie ist das, lassen Sie das Vieh laufen, oder nehmen Sie es mit?«
    »Ich schenke es weg. Meine Freundin hat zwei Kinder.«
    »Und Sie?«
    »Keine.«
    »Keine Kinder – auch keine Männer?«
    »He, he«, sagte sie, und obwohl er schon gesehen hatte, daß sie größer war als er, hatte er bis dahin doch nicht gesehen gehabt, daß sie so viel größer war.
    Sie ging mit dem Kaninchen im Arm neben ihm her, während er vier Schlingen von den Büschen löste. Er steckte die Drahtenden ein, und sie fragte: »Wem gehören die nun?«
    »Die sind beschlagnahmt, sichergestellt, sequestriert, Volkseigentum.«
    »Sind Sie das Volk?«
    »Ein Teil davon, ein erheblicher Teil.«
    »Vielleicht ein überheblicher Teil?«
    »Kann auch sein. Wissen Sie, wir ehemaligen Tiergartenbewohner …«
    Sie lachte. »Noch ein Gutsbesitzer aus Schlesien!«
    Er sah sie fragend an, und sie sagte: »Die treff ich seit fünfundvierzig überall. Bei mir in der Schicht sind auch zwei. Der einen hat das halbe Riesengebirge gehört – sagt sie. Die andere ist aus Ostpreußen, und ihre Stadtwohnung in Tilsit hätte ich mal sehen müssen, lauter Damast! Aber wir haben auch andere.«
    Er nickte. »Ich weiß, was Sie meinen, aber ich hab wirklich mal hier gewohnt. Wenn Sie da rübersehen, eine Daumenbreitelinks der Siegessäule, da hängt noch ein Viertelstück Dach in der Luft, da ist es. Wollen wir hingehen?«
    »Steht Ihr Name noch an der Pforte?«
    »Hat nie drangestanden. Da hat ›General Klütz‹ drangestanden.«
    »General waren Sie auch?«
    »Mensch«, schnaubte er.
    Sie lachte. »Sagen Sie nicht Mensch zu mir. – Ich glaube, wir müssen zurück, meine Pause ist jedenfalls bald um; Sie können es ja unterwegs abladen.«
    »Da ist nichts abzuladen. Ich hab nur da gewohnt. Sie müssen das ja nicht komisch finden, aber ich darf doch wohl. Das ist keine zwei Kilometer von der Redaktion weg, aber jetzt ist das englischer Sektor, und wir sind sowjetisch, und hier, wo wir Karnickel befreien, ist der General mit seinem Zossen rumgeritten, ein Stück Mist war das, der Gaul.«
    Sie ging jetzt ein paar Schritte vor ihm, Richtung Leipziger Straße, heimwärts, arbeitswärts, und er dachte: Hat die ein Kreuz!, aber er merkte, daß sie ihm zuhörte, und er sagte: »Das war vielleicht mein Glück, weiß man nicht. Der General war so ein Schiebekunde von meinem Meister, und als ich eingezogen wurde, hat er mich zu sich geschoben. Das hat mir zwar nicht die Grundausbildung erspart, aber ich weiß nicht was. Ich bin nämlich gelernter Büchsenmacher, und der General war ein mächtiger Jäger. Das Haus hätten Sie sehen sollen.«
    »Lauter Damast wahrscheinlich!«
    »Lauter Flinten, und alle in Ordnung, da hatte ich zu tun. – Oh, das zerruppt mich: Vielleicht haust der hier noch in einem Keller, mein General, vielleicht ist er das, der hier die Schlingen legt, so ein verrückter Jäger, wie der war!«
    Sie nickte. »Wenn das so ein Schiebekünstler war, daß er noch im Krieg durch den Tiergarten reiten konnte und sich einen persönlichen Flintenputzer leisten, dann wird er wohl inzwischen etwas größere Schlingen legen.«
    David griff nach ihrem Arm. »Sie, das war aber beinahe eine politische Bemerkung!«
    Sie wartete, bis er ihren Arm wieder losgelassen hatte – er merkte an ihrer Art zu gehen, daß sie darauf wartete –, dann sagte sie: »Unsinn, ich bin nur nicht dämlich. Aber ich merke: Sie haben auch diese neumodische Krankheit: Alles, was nicht ganz dämlich ist, ist gleich politisch. Und allerdings: Manches, was bloß dämlich ist, ist schon ganz und gar politisch! Nicht politisch ist nur eine bestimmte mittlere Dämlichkeit, und die ist gar nicht leicht hinzukriegen.«
    »Möchten Sie denn?«
    »Ich möchte nur meine Ruhe.«
    »O weh«, sagte er, »Ihnen schicke ich mal Penthesilea auf den Hals.

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