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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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kann, fragt er, und in einem Ton, als hantierte ich mit Rattengift an seinem Suppenteller.«
    »Ich hoffe immer noch, du übertreibst«, sagte David, aber ihre langsame Kopfbewegung war entschiedener als jedes hastige Wort.
    »O Tannebaum«, sagte David, »da ist aber das Kalb ins Auge geschlagen! Soll ich mit ihm reden?«
    »Worüber denn? Daß ich auf diesen Lehrgang muß? Daß Lernen ein Stück vom Leben ist? Das weiß er alles. Und am Ende geht es jetzt auch nicht mehr darum.«
    »Nein«, sagte David, »ich weiß, jetzt geht es wohl darum, daß deine Ehe beinahe zum Teufel ist, und was hab ich da zu reden?«
    »Ich komm mir vor wie ein Kinderarzt, der Masern hat«, sagte sie, »hier ist etwas durcheinandergeraten, es paßt überhaupt nicht: Bin ich nicht Kaderleiterin, Klagemauer und Klärbecken, Seelsorgerin, Trostspenderin und große zürnende Mutter, hab ich nicht mit hundert verständnislosen Frauen und hundert sturen Vätern gesprochen, hab ich nicht in sechsJahren mindestens sechs Ehen gekittet, hab ich nicht wenigstens fünf Dutzend Heidis und Karins und Guntrams und Holgers auf Schulen geschwatzt, gucke ich nicht aus allen Zeitungen so alle fünf Jahre am achten März, bin ich nicht die Medaillen-Carola, Carola, das Beispiel, das glänzende Beispiel, bin ich nicht das wandelnde Frauen-Kommuniqué, bin ich nicht August Bebels Traum und Clara Zetkins Lieblingsidee, bin ich nicht einhundertneunundsiebzig Zentimeter und einhunderteinunddreißig Pfund Gleichberechtigung, und jetzt einhunderteinunddreißig Pfund Katastrophe und Quark und heulendes Elend?«
    »Quark jedenfalls nicht«, sagte David, »den mochte ich nie. Man hat mir zu früh und zu oft gesagt, der sei gesund. Nun laß mal das Haareraufen, Vorbild, wir müssen überlegen: Aus dem Lehrgang hauen wir dich vorerst raus; ich hab gute Gründe, die dich gerade jetzt unentbehrlich machen …«
    »Dann stimmt es also?«
    »Zweitens: Mit deinem Dispatcher könnte ich trotzdem reden, oder nein, ich weiß was: Jetzt dispatchen wir
den
auf Schule. Vielleicht fängt er dort wieder an zu schätzen, daß er was Gelehrtes zu Hause hat.«
    »Dann bricht die Mehlversorgung im Lande zusammen!«
    »Das glaubt er! Wenn er wirklich so eine fabelhafte Routine aufgezogen hat, dann wird er sich wundern, wie leicht die ihn entbehren kann. Wenn er glaubt, in seiner VEAB säße keiner, der ihm nicht schon alle Tricks abgeguckt hat, o Mann, dann wird’s Zeit, daß er Schulung kriegt.«
    »Er wird nicht wollen.«
    »Natürlich wird er nicht wollen. Aber er wird müssen. Hier herrscht allgemeiner Schulzwang. Ich muß mal sehen, wer da Direktor ist, vielleicht kenn ich den. Das ist das Gute an unserem Blättchen: Wenn du lange genug dabei bist, hast du mit ziemlich jedem im Lande einmal zu tun gehabt. Oder ich sprech gleich mit seinem Minister.«
    »So von Kollege zu Kollege?«
    »Ach, red nicht! Von Genosse zu Genosse. Und woher kenne ich den Genossen Minister, na, rate mal, aber du wirst nicht draufkommen: Von einem Lehrgang kenne ich ihn! Der ist inzwischen auf so vielen gewesen, daß er deinen Arthur mit Wonne in die Mühle schickt; warum nur immer er, das ›Elend der Philosophie‹ ist für alle da! – Oder ich hab noch was anderes, ich hab noch die Zeitung, noch hab ich sie. Ist er eitel?«
    »Wer, Arthur? Wohl nicht mehr als jeder Mann und auch nicht weniger.«
    »Das ist vollauf genug. Dann machen wir eine Seite mit ihm, in Farbe. Wir stellen ihn in einen Getreidesilo, mitten in ein Gebirge aus den Trillionen Weizenkörnern, die er herumdispatchen muß; vor diesen goldenen Hintergrund tun wir ihn in seinem blauen Kittel, oder hat er keinen, aber dann muß er eben einen anziehen, Gold und Blau, das kommt gut, das sind Farben der Fülle, und dann kriegt er ein schönes Gegenlicht über den Kopf und muß lächeln, nicht zuviel, aber gerade so viel, daß man sieht: Hier steht einer, der weiß, was er kann, und weiß, was er will.«
    »Und was will er?«
    »Das müssen wir natürlich vorher einfädeln. Wir kommen dazu, wenn sein Direktor gerade dabei ist, es ihm beizubringen. Wir schleppen ihn in seinen Speicher und bannen ihn auf ORWO: Einen Mann, der schon fünfzig ist, einen gewiegten Fachmann, die Seele der VEAB, einen unserer Menschen, die begriffen haben: Ohne Wissenschaft geht nichts mehr! Wenn das in die Zeitung kommt, muß er.«
    »Das wäre eine Intrige«, sagte Carola, aber sie lächelte doch.
    »Klar wäre das eine Intrige, und nicht meine erste. Aber eine

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