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positive, bitte, die kann man verantworten. Zu Schaden kommt niemand dabei, und vielleicht hilft es was gegen dein albernes Gefühl. Man muß immer alles versuchen, Carola.«
»Den Spruch kenne ich noch.«
»Und, war er falsch?«
»Heißt das, daß du wirklich gehst?«
»Wie? Nein, es kann ja auch heißen: Man muß alles versuchen, daß man bleiben kann.«
»Jetzt muß die Kaderleiterin in mir aber lachen!«
»Lachen nennst du das? Das ist der Geierblick eines altgedienten Menschenhändlers, aber warte nur ab, vielleicht entspringe ich euch noch.«
»Willst du es denn?«
David sah ihr zu, wie sie den Papierstern in die Schwalbenkette knüpfte. »Wozu ist das nun wieder?«
»Das ist ein Denk-Mal, ein Erinnerungszeichen daran, daß die Zeit nicht nur vergeht, sondern manchmal auch auf schöne Weise. Da, siehst du, zwei Monatsschwalben zurück steckt auch so eines. Da habe ich einem Mädchen den Tod aus den Augen reden können; nächste Woche heiratet sie.«
»Und heute, dieser Stern?«
»Heute hab ich mit einem netten Mann gesprochen, der einmal mein Liebster war, ich sag’s nie wieder, und mir vielleicht auch nicht helfen kann, aber er hat gesagt: Man muß es immer wieder versuchen! Und morgen steigt er womöglich in einen hohen Sessel, aber heute hatte er noch Zeit für eine Intrige, eine positive, bitte, und hat gemerkt, daß nun ich einmal eine Klagemauer brauche. Das ist eine Menge, David, und das verdient einen Stern, aber ich warne dich: Solltest du Minister werden, hängt das Sternchen da und erinnert mich, wie du gewesen bist. Dann bleib auch so.«
»Du mußt ja eine Menge Papier haben«, sagte David und ging, und im Fahrstuhl hinauf zu seinem Büro und zu seiner Sekretärin mit dem dünnen Verlobungsring mußte er sich eines ganzen Brüderrudels von Gedanken erwehren.
Christa half ihm dabei. An bestimmten Tagen hatte sie eine kratzende Art, die gewöhnlichsten Mitteilungen so vorzutragen, als sei sie Gottes Botin und der Adressat heiße nicht David, sondern Hiob, und manchmal machte David ihr die Freude und stieg in die Hiobsrolle, jammerte ihr etwas vor vom unverdienten Ausmaß der ihm auferlegten Bürden undließ sich am Ende von ihr zu dem demütigen Bekenntnis zwingen, daß es ihn so unverdient nun auch wieder nicht träfe. Heute spielte er nicht mit, und das stachelte sie nur zu beißenderem Vortrag: »Die Allgemeine Verwaltung hat angerufen: sie brauchen ein Sauerstoffzelt für die Reinemachefrauen, jedesmal wenn ihr Spätsitzung gemacht habt. Die Frau Scherner soll eine Stunde gebraucht haben, nur für die Aschenbecher. Sie haben sie nach Hause geschafft, vollständig blau im Gesicht. – Weiteres zum Thema Blau: Erik läßt sagen, die Witzserie über die Sing-mit-Bewegung im alten Rom ist gefährdet, Kunstmaler Kluncker liegt mal wieder mit Virusgrippe, und Sie wüßten schon: Es ist der sogenannte Radeberger-Export-Virus. – Von der Staatlichen Plankommission: Sie können uns die genauen Zahlen nicht, nicht unterstrichen, vor der Volkskammersitzung geben. Es soll wohl eine Überraschung für die Volkskammer werden, Sie möchten zurückrufen. – Heute nachmittag wird der Gedenkstein für Genossen Schäfers gesetzt, Sie möchten ein paar passende Worte sagen, aber passend müßten sie sein, Genosse Schäfers war darin immer sehr eigen. – Hier sind vierzehn Briefe zur Unterschrift, den an die Post finde ich nach wie vor zu grob, und den an den Frauenbund finde ich versöhnlerisch, nach wie vor. – Ich hole jetzt Kaffee!«
Da er ihre Nachrichten unbewegt entgegengenommen hatte, sprach sie selbst den letzten Satz, als wäre sie Elihu und wüßte von Gottes finstersten Planungen.
Das ist, dachte David, auch gar nicht mal so abwegig. Dann setzte er sich hinter die Unterschriftenmappe.
Darauf schien die Gedankenmeute nur gewartet zu haben. Einer aus dem grauen Pulk war besonders zudringlich und sprang ihn knurrend an: Was bleibt von dir, wenn du hier gehst?
Wieviel mehr als ein achteckiger Stern zwischen zwei papierenen Monatsschwalben bleibt zu deinem Gedenken in diesem Haus?
Und was wird noch in ihm sein von dir, wenn die Jahresketteim Januar ausgetauscht wird gegen einen neuen leeren Faden?
Eine widerlich gierige und niederträchtige Frage war das, denn machte man sich auf die Suche nach einer guten und tröstlichen Antwort, so sah man sich bald in Begleitung von Selbstgerechtigkeit und Eitelkeit, sah sich sein eigen Bild modeln und Spuren finden von sich selbst, die in Wahrheit
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