Das Impressum
Müntzer, eine Frau also, vorstünde. Dazu ist die Zeit noch nicht reif, hatte es geheißen, und Johanna hatte sich beugen müssen; es hatten ihr die Beweisenichts geholfen, mit denen sie belegt, wie reif die Frauen gerade in dieser Zeit geworden waren und gut für jeden Posten; ein Mann mußte her für das Impressum und die Verantwortung nach außen hin, ein treuer, gestählter, harter Mann.
Kutschen-Meyer war treu, hart und gestählt, aber den wahren Grund für seine Berufung hätte man ihm nicht nennen dürfen. Daß es galt, die Obrigkeit und deren juristische Handlanger zu bescheißen, leuchtete ihm ein, weil es ihm sein Leben lang eingeleuchtet hatte, aber wenn ihm gesagt worden wäre, er bekomme seine Funktion eines angenommenen Bewußtseinsrückstandes der Bevölkerung wegen, da hätte er nicht mitgemacht.
Denn das hätte Zurückweichen bedeutet, und das lag ihm nicht. Er war Bierkutscher, war noch sechsspännig gefahren für Schultheiß und hatte später einen Henschel-Laster gelenkt für die Kindl-Brauerei: »Det mußte immer rollen, sonst wurde nischt!«
Und er war Schwergewichtsringer im Arbeiter-Sportverein gewesen, zweimaliger Berliner Meister: »Det mußte immer krachen, sonst wurde nischt!«
Und er hatte der Partei als Fahrer und Leibesschützer gedient. »Am schlimmsten wart mit Karl. Der war ja nicht groß, und ick mußtn uffn Sandkasten stemmen, als er reden wollte. Und wie er in Fahrt kam, hab ick ihn anne Hosenbeene jezogen, er soll sich beeilen mit seine Schlußfolgerungen, weil die Blauen kommen. Denn det mußte doch immer flutschen, sonst wurde nischt!«
Kutschen-Meyer saß stets am Redaktionstisch und folgte den Debatten der fortschrittlichen Intelligenzler mit Wohlwollen, aber ohne tiefere Teilnahme; er horchte vielmehr auf den schweren Tritt der Blauen, und es irritierte seine Wachsamkeit nicht, daß er mit dem neuen Polizeipräsidenten im gleichen Lager die Furcht vor den Schwarzen geteilt und den Widerstand gegen sie verdoppelt hatte.
Auch Gabelbachs Frotzelei störte ihn nicht; der Bildfritze war ein Intelligenzler, und Kutschen-Meyers Gleichmut warschon von ganz anderen Intelligenzlern auf die Probe gestellt worden. »Der Wladimir, det war wat Wildes! Dem fielen die Gedichte noch mitten auf de Straße ein, und denn hatter losjeorjelt auf russisch und hat die Bourgeoisie erschrocken, weil es doch in der Periode der relativen Stabilisierung des Kapitalismus war. Nee, an den Majakowskij kommt ihr alle nich ran mit eure schmalen Witze!«
Aber David störte Gabelbachs Stichelei, und nicht nur, weil er selbst schon einige Male Opfer des Fotografen gewesen war; er war für Kutschen-Meyer, denn der war, was er gerne gewesen wäre: kompromißlos und treu und mit einem Ziel versehen von lange her.
Deshalb sagte David, und hatte zwar Furcht bei seinen Worten, sprach sie aber doch: »Herr Gabelbach hat nun auch noch festgestellt, daß etwas fehlt, und dann hat er seinen Spaß mit der politischen Verantwortung und Kollegen Meyer gemacht, aber nun möchte ich Sie doch fragen, Herr Gabelbach, wenn jetzt Sie die politische Verantwortung hätten, was würden Sie dann tun, damit nichts mehr fehlt, das möchte ich doch mal wissen.«
»Wissen möchten Sie was? Das ist ja schön, daß Sie was wissen möchten, Jüngling«, sagte der Bildchef, »da scheinen Sie immerhin eine Ahnung zu haben von dem, was Ihnen fehlt. Und bei der Gelegenheit, Frau Müntzer, wollen Sie mir gütigst Klarheit verschaffen über die Position, auf der ich diesen Zwerg zu denken habe, wenn ich mich bemühe, eine wenigstens gedachte Ordnung in diesen redaktionellen Betrieb zu bringen?«
»Der ist mein Assistent«, sagte Johanna Müntzer, »und Sie werden gleich sehen, wie das zu verstehen ist. Wenn ich etwa nicht weiter weiß, nur weiß, was jeder hier weiß, Lilo, Kollege Klotz, Sie, Kollege Gabelbach, und der verantwortliche Redakteur, Genosse Meyer, dann sage ich zu meinem Assistenten: David, etwas fehlt, was schlägst du vor?, und dann denkt mein Assistent scharf nach, dazu ist er da, und er macht einen Vorschlag. Wir wollen es gleich einmal zeigen, David, damitKollege Gabelbach ein Bild von dir und deiner Tätigkeit bekommt.«
Das ist gemein von dir, Frau Penthesilea, das ist aber saugemein von dir, dachte David, das zersägt mich! Ich bin doch neu hier, Frau! Und der Gabelbach kann mich nicht leiden, Chefin, und der Genosse Meyer kann mir nicht helfen, und Klotz und Lilo geht das nichts an, die haben ihres schon
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