Das Insekt
großes und für sich selbst ein etwas kleineres Stück ab, das sie sich gleich in den Mund stopfte. Sie kaute noch, während sie die Essensreste in den Abfalleimer kratzte. Als sie mit Dukes Stück ins Wohnzimmer zurückkehrte, hatte sie geschluckt und sich schon den Mund abgewischt.
»Nimmst du nichts?«, fragte er.
»Du spinnst wohl. Das sind schon dreihundert Kalorien, wenn man nur dran denkt.«
Duke zuckte nur mit den Achseln und biss in seinen Kuchen. Dann deutete er auf den Bildschirm. »Der Typ da. Der hat einen ganzen VW gegessen.«
»Warum das denn?«
»Was weiß denn ich, warum? Warum essen Leute Schokoladenkuchen?«
Bonnie sagte nichts. Sie wusste, warum sie Schokoladenkuchen aß.
Die Türglocke schreckte sie aus dem Tiefschlaf. Sie saß aufrecht im Bett und war sich für einige Augenblicke nicht sicher, ob sie wirklich etwas gehört oder nur geträumt hatte. Aber dann klingelte es erneut. Sie stieß Duke mit dem Ellenbogen an. »Duke. Wach auf«, flüsterte sie. Da ist jemand an der Tür.«
Duke grunzte wie ein Schwein und rappelte sich schließlich hoch. »Was? Wie viel Uhr ist es?«
»Fünf vor halb vier.«
»Was soll die Scheiße?«
Bonnie stieg aus dem Bett, nahm ihren Morgenmantel vom Haken an der Tür und ging aus dem Schlafzimmer. Vom Gang aus erkannte sie die roten und blauen Blinklichter auf der Straße vor ihrem Haus und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.
»Duke!«, rief sie. »Duke! Das ist die Polizei.« Schnell lief sie zur Haustür.
Zwei Polizisten in Uniform warteten draußen. Einer war ein Puertorikaner mit dünnem Schnurrbart, der andere war schwarz.
»Mrs Winter?«, fragte der Schwarze und blendete sie mit seiner Taschenlampe.
»Was ist passiert? Es geht um Ray, oder? Sagen Sie mir, was passiert ist.«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs Winter. Ihr Sohn wurde verletzt, aber es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Er ist im Augenblick im Krankenhaus. Wir bringen Sie gern hin, wenn Sie wollen.«
»Verletzt? Was meinen Sie mit verletzt?«
Inzwischen hatte Duke in schwarzen Kniestrümpfen und kurzem rosa Bademantel den Weg zur Tür gefunden. »Was ist denn hier los?«, wollte er wissen.
»Mr Winter? Ihr Sohn Ray wurde verletzt. Er ist gerade drüben im Krankenhaus zur Behandlung.«
»Verletzt? Wie? War es ein Autounfall? Mein Sohn fährt noch gar nicht.«
»Nein, Sir. Wie es scheint, wurde Ihr Sohn in eine ethnische Auseinandersetzung verwickelt.«
Duke massierte sich verständnislos mit verkniffenen Augen die Nasenwurzel. »Ethnische Auseinandersetzung? Was heißt das in unserer Sprache? Meinen Sie einen Rassenkrawall?«
»Nicht direkt einen Krawall, Mr Winter. Aber es geht um einen rassistisch motivierten Angriff, ja.«
»Wie viele waren es?«
»Wie bitte?«
»Sie haben mir gerade gesagt, dass mein Sohn das Opfer eines rassistisch motivierten Angriffs war, und ich möchte wissen, wie viele es waren?«
»Ungefähr siebzehn, soweit wir wissen, aber Ihr Sohn war nicht…«
»Siebzehn? Siebzehn Schwarze gegen einen weißen? Heilige Scheiße!«
»Mr Winter. Ihr Sohn wurde nicht von siebzehn Afroamerikanern angegriffen. Ihr Sohn gehörte zu den siebzehn, die in den Kampf verwickelt waren. Elf Weiße und sechs Mexikaner. Keine Afroamerikaner. Alle Beteiligten trugen Verletzungen davon, meist Stichwunden und Quetschungen. Einer wird wohl ein Auge verlieren. Vierzehn sind nicht mehr in Behandlung. Drei, darunter Ihr Sohn, sind noch im Krankenhaus.«
»Ray hat Mexikaner angegriffen? Haben wir das richtig verstanden?«, fragte Bonnie.
Der schwarze Polizist nahm sein Notizbuch und schlug es auf. »Elf weiße Jugendliche betraten die X-Cat-Ik-Pool-Bar Downtown, kurz darauf begann die Schlägerei. Wir haben drei Messer, eine Machete und einen Baseballschläger sichergestellt. Unglücklicherweise behaupten alle Gäste der Bar, nichts gesehen zu haben, obwohl kein Zweifel daran bestehen kann, dass der eigentliche Angriff rassistisch motiviert war.«
»Nein, das muss ein Irrtum sein. Mein Ray hat mit solchen Sachen nichts zu tun«, sagte Bonnie.
»Das sind die Fakten, Mrs Winter.«
Duke war rot angelaufen, Bonnie legte ihm einen Hand auf den Arm. »Sagen Sie uns einfach, wo er liegt, dann finden wir ihn schon selbst.«
Der junge Held
Ray lag in einem blassgrün gestrichenen Raum am Ende eines langen, widerhallenden Flurs. Eine Neonröhre in seinem Zimmer flackerte und machte ein penetrant summendes Geräusch wie eine gefangene
Weitere Kostenlose Bücher