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Das Insekt

Das Insekt

Titel: Das Insekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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Schmeißfliege.
    Sein Kopf war bis unter das Kinn in einen weißen Verband eingewickelt. Von einem Arm sah man nur dunkelrot verfärbte Fingerspitzen, der Rest war bis zur Achsel in Gips.
    Seine Augen waren gelb und rot und dick wie Pflaumen, seine Lippen in etwa wie mit rotem Gummi nachgeformt.
    Als Bonny und Duke eintraten, war eine asiatische Schwester mit nikotingelben Fingern gerade damit beschäftigt, bei Ray den Blutdruck zu messen. »Sind Sie beide die Eltern?«
    Bonnie nickte und ging um das Bett herum zu Ray. »Liebling, was ist denn bloß passiert?«
    »Gebrochenes Handgelenk, Prellungen, Schürfwunden, drei angebrochene Rippen, ein verstauchter Knöchel, drei gebrochene Zehen und eine leichte Gehirnerschütterung«, sagte die Schwester. »Hätte aber noch schlimmer kommen können.«
    »Es hätte schlimmer kommen können?«, sagte Duke.
    »Selbstverständlich. Immerhin wurde er mehrfach in den Unterleib getreten. Das hätte durchaus einen Riss des Zwerchfells zu Folge haben können. Ein weiterer Tritt traf ihn am Kopf hinter dem rechten Ohr. Für die nächsten Tage wird er da eine ziemlich große Beule haben.«
    Bonnie setzte sich aufs Bett und nahm Rays Hand. »Ray, was machst du denn für Sachen? Du bist doch nicht etwa in einer Gang, oder? Wir dachten, du würdest zum Essen kommen.«
    Duke stand nur stumm mit fest verschränkten Armen am Bett und machte dieses Ich-kau-nur-ganz-ruhig-meinen-Kaugummi-Gesicht, das er immer machte, wenn er dachte, dass es besser war, den Mund zu halten.
    »Es tut mir so Leid, Mum«, sagte Ray. »Ich hätte echt nicht gedacht, dass es so weit geht.«
    »Was hast du dir denn überhaupt dabei gedacht, zu dieser Bar zu gehen?«
    »Na, weil da die ganzen mexikanischen Kids rumhängen.«
    »Und? Haben die dir je was getan? Um Gottes willen, Ray. Die Polizei sagt, ihr hattet Messer und Baseballschläger dabei.«
    »Mum, das waren doch Mexikaner.«
    »Dann waren es eben Mexikaner. Ich verstehe es einfach nicht. Warum habt ihr die so brutal angegriffen?«
    »Weil die doch an allem Schuld sind.«
    »Entschuldige, wahrscheinlich bin ich einfach zu blöd, aber ich verstehe es immer noch nicht.«
    »Dann schau dir doch nur Dad an! Die kommen hierher und nehmen uns Amerikanern die Jobs weg, und darum sind doch alle arbeitslos.«
    »Du hast wildfremde Mexikaner verprügelt, weil andere wildfremde Mexikaner deinem Vater den Job weggenommen haben?«
    »Ja«, sagte Ray. Er musste husten und krümmte sich vor Schmerz. »Sieh dich doch an, Mum. Sieh euch beide an. Was ist aus euch geworden, weil Dad keinen Job hat? Dad frisst alles in sich rein, du musst Leichenreste aufkratzen, immer streitet ihr, und das alles nur wegen diesen Mexikanern.«
    Bonnie konnte nur ungläubig den Kopf schütteln. »Was geht nur in deinem Kopf vor? Und wenn du jemanden umgebracht hättest? Dann würdest du jetzt für den Rest deines Lebens ins Gefängnis wandern. Oder jemand hätte dich umbringen können. Schau dich nur an. Viel gefehlt hätte nicht.«
    Bebend vor Wut stand sie auf. »Du bist mein Sohn, mein einziger Sohn, Ray. Und ich habe dich anständig erzogen, dir gezeigt, was richtig und falsch ist. Dass dein Dad seinen Job verloren hat, war unfair und vielleicht ging es auch nicht mit rechten Dingen zu. Aber das gibt dir noch lange nicht das Recht, wahllos Mexikaner anzugreifen wie… wie ein verdammter Nazi. Das kann ich nicht akzeptieren, verstanden. Mein Sohn tut so etwas nicht. Ich warne dich, Ray.«
    Duke nahm ihren Arm und versuchte sie zurückzuhalten. »He Bonnie, mach mal halblang. Sieh ihn dir an, er ist doch schon bestraft genug.«
    »Denkst du das im Ernst? Dein Sohn ist mit Messer und Schläger losgezogen, um unschuldige Leute mit Vorsatz anzugreifen!«
    »He, also Moment mal, okay? Unschuldige Leute? Woher weißt du, dass sie unschuldig waren? Diese Mexikaner arbeiten alle schwarz, zahlen keine Steuern, verticken Drogen und schmuggeln alles mögliche Zeug. Die würden auch ihre eigene Schwester verkaufen, jedenfalls die meisten. Von wegen unschuldig. Und woher bist du dir überhaupt so sicher, wer hier wen angegriffen hat, hä?«
    Bonnie starrte ihn an. »Ich glaube einfach nicht, was ich da höre.«
    »Ich sag ja nur, dass du fair sein musst, Süße. Du kannst den Jungen nicht so angehen, wenn du nicht alle Fakten kennst.«
    »Fair? So langsam kapiere ich, worum es hier geht. Du bist stolz auf ihn, stimmt’s? Du bist wirklich stolz auf ihn. Für dich ist er so eine Art Held, was? Weil er dich

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