Das Inselcamp
Feiern.«
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Der Geist der Flasche
In den nächsten Tagen geschah – für Weihbacher Verhältnisse – allerlei. Die Eltern der zwölf begannen, sich mit der Kirche auseinanderzusetzen. Die einen wandten sich an den Pfarrer, andere an den Propst. Die Beschwerde an den Bischof, die Johannas Mutter verfasste, wurde als Einschreiben zugestellt.
Leserbriefe erschienen in der lokalen Presse, sogar ein angriffslustiger Artikel über den Diakon J., der seinen Pflichten nicht mehr nachkommen könne, da er offenbar allzu tief in die Flasche schaue.
Seltsamerweise fanden all diese Bemühungen kein Echo. Weder der Propst noch der Bischof griffen ein. Die benachbarten Pfarrer weigerten sich, die zwölf in ihre eigenen Konfirmandengruppen aufzunehmen, niemand nahm Anstoß daran, dass es in Weihbach im übernächsten Mai keine Konfirmation geben würde. Und die zwölf hatten nach wie vor freie Dienstagnachmittage.
Eines Dienstagmittags setzte sich Andi im Schulbus neben die kleine Judith. Pitt hatte eine Stunde länger Unterricht, Simone auch. Er sah eine Weile aus dem Fenster. Dann sah er Judith an. Und endlich machte er den Mund auf. »Fragst du dich eigentlich nicht, warum?«
Sie wusste gleich, dass er den Diakon meinte und den Konfer. Den Rausschmiss. »Du weißt doch, was geredet wird.« Ihre Stimme klang seltsam. Sie sprach einen Punkt, aber sie meinte ein Fragezeichen. »Paps sagt, da sei nichts dran«, bemerkte Andi. »Sonst würde die Kirche längst eingreifen.«
Sie nickte. Andi rutschte auf seinem Sitz herum. »Was aber ist es dann?«, bohrte er nach. »Irgendwas stimmt nicht mit dem, das ist klar. Aber was?« Judith beugte sich vor und sah ihm direkt ins Gesicht. »Und wenn es an uns liegt?«
Der Schulbus fuhr einen weiten Bogen. Bevor er nach Weihbach fuhr, brachte er die Mühlberger auf ihren Berg. Und bergab gab es zwei weitere Dörfer. In Schafhaus stand Andi plötzlich auf und nahm seine Tasche. »Den Rest lauf ich«, erklärte er.
Seine Stimme klang seltsam. Er sprach einen Punkt, aber er meinte ein Fortsetzungszeichen. Judith nickte und griff sich ihren Rucksack. »Okay«, sagte sie, und dann stiegen sie beide aus.
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Schafhaus
Schafhaus war kleiner als Weihbach, eigentlich bloß ein paar Häuser und Gehöfte um einen Dorfplatz mit Brunnen. Andi und Judith fielen gleich auf. »Was wollen die denn hier?«, wunderten sich zwei Schulkameraden. Judith trat ohne Scheu auf sie zu. »Wo wohnt denn der Jott?«, fragte sie locker. Die beiden starrten sie bloß an. Dann wies einer mit einem Kopfnicken auf das letzte kleine Haus am Ende der holperigen Dorfstraße.
Judith und Andi wechselten einen Blick, der bedeutete: Das schauen wir uns mal an.
Das Haus war wirklich winzig. »Ein einziges Zimmer«, vermutete Judith. »Klo auf dem Hof?«, ergänzte Andi. Judith zog die Nase kraus. »Wohl kaum«, meinte sie. »Da machen schon andere ihr Geschäft …« Tatsächlich graste rund um das Häuschen eine kleine Herde Schafe. »Wenn ich das Pitt erzähle!«, sagte Andi. »So doof wirst du nicht sein«, behauptete Judith.
Keck klinkte sie das Gartentor auf und betrat das Grundstück. Sie ging aber nicht zur Haustür, sondern mogelte sich unter die Schafe. »Da bist du unter Deinesgleichen«, sagte Andi und grinste. Sie sah ihn schräg an. »Hattest du das jetzt nötig?« Er hob die Schultern. »Pitt hätte das auch gesagt.«
Der Jott stand in seiner Wohnküche – das Haus hatte tatsächlich nur einen Raum – über einen Tisch gebeugt und las. Judith und Andi erspähten ihn durch ein Fenster an der Rückseite. »Der liest«, sagte Judith. »Wundert dich das?«, fragte Andi. »Bestimmt in der Bibel.«
Judith schob sich noch näher heran. »Ein Kochbuch«, stellte sie fest. Sie hatte versehentlich das Fenster berührt. Jäh schwang es nach innen. Diakon Jott hob den Kopf und sah Judith und Andi ins Gesicht.
»Kommt rein«, befahl Diakon Jott, aber er machte keine Anstalten, die Tür zu öffnen. »Ist doch sonst eure Art, über Tische und Bänke und durch Fenster zu gehen.« Seelenruhig sah er zu, wie erst Andi, dann Judith bei ihm einstiegen. Judith zerrisssich ihre Hose und fluchte. »Wieso schimpfst du?«, meinte der Diakon. »Zerrissen ist in, oder nicht?«
Sie strich ihre Haare hinters Ohr und stellte sich gerade hin. »Wieso sind Sie so garstig?«, fragte sie. Andi bekam einen roten Kopf und tat, als lese er in dem Kochbuch. Diakon Jott lächelte sein
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