Das Intercom-Komplott
einmal. »Ich würde nicht im mindesten behaupten, Herr Sowieso sei ein Dieb und ein Lügner, aber …« Er verzog seine Lippen zu einem verächtlichen Grinsen. »›Verstehen Sie mich bitte nicht falsch‹ – das war ein solcher Eröffnungszug. In Wirklichkeit bedeutet es doch etwas ganz anderes. ›Was ich Ihnen jetzt sagen werde, wird Sie zweifellos verärgern, aber da ich von vornherein die Absicht, Ihnen irgendeinen Grund zur Verärgerung geben zu wollen, abgestritten habe, besteht für Sie kein Anlaß, sich brüskiert zu fühlen.‹ Und trotzdem: Mich wurmt es.«
Brand lächelte. »Verstehen Sie mich bitte jetzt nicht falsch, wenn ich sage, daß dieser Mann hoffentlich nicht davon überzeugt ist, daß wir den Mund halten. Mir würde es ganz einfach Spaß machen, wenn er von bösen Zweifeln geplagt wird.«
»Mir auch. Und Zweifel wären das mindeste.« Jost warf dem amerikanischen Fahrer einen raschen Blick zu und setzte dann die Unterhaltung auf Französisch fort. »Wollen Sie in aller Form protestieren?«
»Eigentlich hatte ich mich entschlossen, es nicht zu tun – das heißt, wenn Sie derselben Meinung sind. Jetzt bin ich unsicher geworden. Was meinen Sie?«
Jost überlegte. »Ich bin genauso verärgert wie Sie; mich hat das Ganze auch angewidert. Ich glaube, daß eine Beschwerde gerechtfertigt wäre. Ob sie einen Sinn hat oder nicht, steht freilich auf einem anderen Blatt. Und ich bin fast davon überzeugt, daß sie nutzlos wäre. Und außerdem ist es immer unangenehm, von Anfang an als Quertreiber verschrien zu sein.«
Es dauerte eine Weile, bis Brand antwortete. »Sie haben recht. Ich werde meinem Botschafter auf alle Fälle berichten, was vorgefallen ist, ihn aber bitten, nichts zu unternehmen. Und noch etwas werde ich tun«, fuhr er mit bösem Lächeln fort: »Ich werde dafür sorgen, daß unser Militärattaché nicht in Uniformen herumläuft, die er billig im amerikanischen PX gekauft hat. Dieser Laden hat ihn offensichtlich demoralisiert.«
Jost seufzte. »Es ist aber auch alles zu dumm. Vor einer Woche wurde ich von unserem Oberbefehlshaber in mein Amt eingeführt. In Anwesenheit hoher Beamter des Verteidigungs- und des Außenministeriums. Und der Mann vom Außenministerium hielt es doch tatsächlich für notwendig, mich darauf hinzuweisen, daß manche der hier anwesenden alliierten Funktionäre gewisse, oft sogar zugegebene antiamerikanische Stimmungen hegten.« Er warf Brand einen Blick zu. »Der Antiamerikanismus sei eines der zerstörerischsten Laster, das wir keinesfalls dulden dürften, zumal es seine Ursache allein im Neid hätte.«
»Eine nette Gardinenpredigt.«
»Unsere Beamten nehmen sich sehr ernst. Damals ärgerte ich mich darüber, daß man einen solchen Hinweis überhaupt für notwendig hielt. Ich wußte allerdings nicht, in welch kurzer Zeit sogar ich in Versuchung kommen würde.«
»Aber sind wir denn tatsächlich in Versuchung gekommen?« Brand zuckte die Achseln. »Sie wissen doch ebensogut wie ich, daß unser Freund mit der Whiskyflasche nichts anders ist als ein Hanswurst auf Zeit, eben jener Typ, wie man ihn in jeder Armee findet. Wären andere für die Sicherheit verantwortlich, hätten wir es mit einem Engländer oder einem Franzosen zu tun gehabt, der – wenn auch vielleicht auf andere Weise – genauso unangenehm wäre. Es ist durchaus nicht antiamerikanisch, diesen Mann nicht zu mögen.«
»Und Sie wissen«, widersprach Jost, »daß dies in unserer Lage kein Argument ist. Es sind allein die Amerikaner, die in der westlichen Welt gegenwärtig zählen, denn allein sie sind im Besitz der wirklichen Macht, und sie sind bereit, sie einzusetzen. Ob sie uns mögen oder nicht, spielt keine Rolle – sie bewerten uns nur danach, wie nützlich wir uns innerhalb des Verteidigungsbündnisses machen und wie bereitwillig wir ihren Wünschen entsprechen. Und darum ist es wesentlich, daß wir es uns nicht gestatten dürfen, sie nicht zu lieben oder gar zu verachten – und zwar jeden Amerikaner, ob wir nun einen Anlaß haben oder auch nicht. Solche Abneigungen oder Ressentiments liegen nicht in unserem Interesse.« Nach kurzem Schweigen fügte er ironisch hinzu: »Was ich gerade sagte, habe ich natürlich aus meinen offiziellen Dienstanweisungen zitiert.«
»Dachte ich mir«, antwortete Brand trocken. »Auch meine Regierung hat mir Vorschriften mitgegeben, an die ich nicht ganz glaube.«
Einen Augenblick lang sahen sie sich grinsend an. Die erste Stufe ihres gegenseitigen
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