Das Intercom-Komplott
antiamerikanisch, sie waren auch antirussisch. Ihre Gespräche sind zwar subversiv – aber es sind eben nur Worte. Mit dem, was ist, sind sie nicht einverstanden, aber sie sind fähig, ihre Unzufriedenheit im Gespräch zu sublimieren.
In diesen Jahren trafen sie sich ziemlich oft. Man hatte mittlerweile regionale Nachrichten-Komitees gebildet, und außerdem wurden im Zusammenhang mit NATO-Manövern zahlreiche Planungskonferenzen abgehalten, denen sie beiwohnen mußten.
Sie freuten sich stets auf ein solches Zusammentreffen, aber sie waren diskret. Beide hatten sich auch mit anderen ihrer NATO-Kollegen befreundet, und beide achteten darauf, diese Verbindungen zu pflegen; anderen gegenüber aber drückten sie sich über ihre beruflichen Ansichten nur sehr vorsichtig aus. Ihre unorthodoxe Meinung war ihnen ein privates Vergnügen, das sie mit anderen nicht teilen wollten, auch nicht mit denjenigen, die sie sympathisch fanden. Es war ein stillschweigendes Übereinkommen, das keiner von ihnen in Frage stellte. Schon damals müssen sie geahnt haben, daß ihnen diese Diskretion eines Tages sehr zustatten kommen würde.
Von vagen Gedanken über die Anwendung von Stolperdrähten bis zu der Überlegung, wo und wozu man sie spannen könnte, ist es nur ein kurzer Schritt. Und diesen Schritt taten Jost und Brand im Jahre 1964.
Sie trafen sich unter ungewöhnlichen Umständen in London. Die Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion hatten erheblich nachgelassen, das Atomstopp-Abkommen war unterzeichnet und der Heiße Draht zwischen Washington und Moskau installiert; man verhandelte über eine Umorganisation der NATO, die Haltung Frankreichs gab zu Rätseln Anlaß, kurz – es roch allenthalben nach einer Neuorientierung.
Jost und Brand waren damit gezwungen, ihre Zukunftsaussichten neu zu überdenken, und was sie sahen, gefiel ihnen gar nicht. Nicht daß sie um ihre Posten hätten bangen müssen – sie saßen so fest auf ihren Stühlen, daß sie ohne Furcht das Pensionierungsalter erwarten konnten –, aber es wurde immer deutlicher, daß ihre ohnehin schon verminderte Bedeutung innerhalb der NATO aller Wahrscheinlichkeit nach bald noch mehr absinken würde. In düsteren Augenblicken sahen sie sich schon in die Rolle passiver Zuschauer zurückgedrängt, als Dorfpolizisten, an unbedeutenden Straßenkreuzungen postiert oder auf einem geheimen Schlachtfeld, auf dem allein die Bataillone der CIA und des KGB das Geschehen beherrschten.
Eine solche Beurteilung der Lage war keinesfalls unrichtig. Sowohl CIA wie auch KGB operierten schon jetzt insgeheim in Josts wie in Brands Heimatländern, und sie wußten es. Sie wußten auch, daß sie die ungeladenen Gäste zwar beobachten konnten, daß ihnen aber nichts anderes blieb, als sich insgeheim zu ärgern. Die anmaßende Meinung der CIA, ihre Leute seien nicht allein willkommene, sondern auch besonders privilegierte Gäste, fanden sie ebenso unverschämt wie die verwegene Behauptung des KGB, seine Residenturas würden überhaupt nicht existieren. Es war tatsächlich eine Beleidigung der Abwehr.
Jost war Mitglied eines Londoner Klubs, und in dessen Coffee Room fand die erste von zwei bedeutungsschweren Unterhaltungen statt.
Am Vormittag dieses Tages war auf dem Londoner Flughafen ein Goldraub mißglückt; die Abendzeitungen berichteten in Schlagzeilen darüber. Drei der Täter waren bereits verhaftet, nach vier weiteren, die in einem zweiten Wagen entkommen waren, ebenso nach dem Fahrer eines Lastwagens, der am Tatort verlassen aufgefunden wurde, fahndete man noch. Bei einem Glas Whisky unterhielten sich Brand und Jost über diesen Raubüberfall.
»Ein sorgfältig geplantes Unternehmen«, meinte Brand. »Aber viel zu kompliziert. Ich frage mich nur, woher sie das Tränengas hatten. Wahrscheinlich aus einem Armee-Depot.«
»Vielleicht hatte die Polizei einen Tip.«
»Nach der Lage der Dinge nehme ich eher an, es war ein ganz allgemeiner Hinweis. Fünf der Männer konnten entkommen. Was wollten sie mit dem Lastwagen?«
»Es war einer mit einer Hebebühne. Man benutzt ihn für schwere Lasten – für Maschinen, Kühlschränke und solche Dinge. Wahrscheinlich wollten sie damit die Goldbarren schnell verladen.«
»Goldbarren im Wert von einer halben Million Pfund Sterling, steht in der Zeitung.« Brand dachte einen Augenblick nach. »Ein Gewicht von ungefähr elfhundert Kilo. Ja – acht Mann hätten bestimmt ihre liebe Not, wollten sie es in kürzester Zeit
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