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Das Intercom-Komplott

Das Intercom-Komplott

Titel: Das Intercom-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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Gegenteil überzeugen und zur Lektüre hatte überreden lassen, reagierte sie mit größter Heftigkeit. Mlle. Deladoey wurde weiteren, noch intensiveren Verhören unterworfen, und dies nicht nur von der Polizei: Beauftragte der schweizerischen Sicherheitsbehörden hatten sich in diesem Augenblick in die Ermittlungen eingeschaltet. Am 25. Juni, zehn Tage nach der Vermißtenanzeige, erschien einer von ihnen bei Mlle. Deladoey, um sie zu fragen, ob noch weitere Kopien des Latimer-Manuskripts in ihrem Besitz seien. Sie gab ihm die beiden Durchschläge, die sie davon gemacht hatte; er stellte ihr eine Quittung aus.
    Warum er diese Durchschläge haben wollte, fragte sie nicht. Hätte sie es wissen wollen, wäre ihr gesagt worden, daß das Manuskript als geheim klassifiziert worden und alle Kopien sicherzustellen seien. Sie nahm ganz einfach an, man wollte zusätzliche Exemplare, um besser arbeiten zu können.
    Darum kam es ihr auch nicht in den Sinn, die noch existierenden handschriftlichen Manuskripte zu erwähnen. Auch von dem Kasten voller Tonbänder in der Schublade ihres Schreibtisches sagte sie nichts. Schließlich gehörten sie Mr. Latimer.
    Oder war vielleicht jetzt sie die Besitzerin?
    Noch an diesem Tage unterrichtete sie Latimers Verleger über die Tonbänder und die handschriftlichen Entwürfe in ihrem und Theodore Carters Besitz. Sie schrieb ihnen auch, daß man ihr mittlerweile das Gehalt für drei Wochen schuldig war.
    Ich halte es für möglich, daß sie glaubte, der Besitz der Tonbänder würde ihre Position gegenüber dem Verlag stärken. Wenn dies so war, mußte sie bald einsehen, daß sie sich geirrt hatte. Zu diesem Zeitpunkt nämlich hatte der Verlag sich schon direkt an Theodore Carter gewandt, was durchaus logisch ist, da dieser in dem Vertrag über das Buch als Kontrahent erscheint. Zusammen mit ihrem Gehalt für drei Wochen erhielt Mlle. Deladoey zweifellos eine kurze Abhandlung über das Urheberrecht.
    Mr. Carter widersetzte sich zunächst heftig einer Veröffentlichung der Unterlagen Latimers in ihrer unredigierten und ungekürzten Form.
    Es ist unmöglich, seinen Einwänden nicht zuzustimmen. Charles Latimer hatte seinem boshaften Humor oft genug die Zügel schießen lassen; daß Latimer viel von Carters beiläufigen Nebenbemerkungen und Kommentaren oder persönliche Mitteilungen, die nicht für eine Veröffentlichung bestimmt waren, absichtlich in den Text mit aufnahm, ist wirklich kaum zu begreifen. Es ist klar, daß er sich auf Carters Kosten lustig machte.
    Mr. Carters Entschluß, seine Einwände gegen eine Veröffentlichung dieser Passagen fallenzulassen, ist höchst ehrenwert. Einen Appell an seine Berufserfahrung beantwortete er sachlich und objektiv. Das Argument, auf dem dieser Appell beruhte, war, wie ich annehme, schwerwiegend genug.
    Das zweiteilige Manuskript, das Polizei und Sicherheitsbehörden lasen und prompt als geheim klassifizierten, war eine zweite Fassung. Jenes, das Mlle. Deladoey so zögernd aus den Händen gab, war ein sehr roher erster Entwurf, zwar in Kapitel unterteilt, doch von unregelmäßiger Länge. Wenige Abschnitte, die ›Rekonstruktionen des Geschehens‹ vor allem, lasen sich einigermaßen flüssig; der Rest bestand aus zusammengetragenem Material – Briefe, abgeschriebene Tonbandaufzeichnungen, Interviews und Zeugenaussagen –, das von Latimer in chronologischer Folge geordnet und stark korrigiert war. Indem Carter die von Latimer zu seiner eigenen Sicherheit in der ersten Fassung gestrichenen Passagen mit größter Genauigkeit las, enträtselte er schließlich nicht nur das Geheimnis, das Latimers Verschwinden umgab, sondern konnte er auch das Ende der Geschichte erzählen.
    Also war dieser erste Entwurf in gewisser Hinsicht endgültig.
    Als Mr. Carter seine Einwände gegen eine Veröffentlichung fallenließ, stellte er nur eine einzige Bedingung: Gewisse Namen, so verlangte er, müßten geändert werden – »um die Schuldigen zu schonen«.
    Zwei Namen wurden geändert.
    Der Rest blieb unredigiert, um für sich selbst zu sprechen.
    ERIC AMBLER

I
 
Das Konsortium



KAPITEL 1
    BRIEF THEODORE CARTERS
     
    Tonbanddiktat
     
    Also, liebe Nicole, und jetzt den Brief an Latimer. Oder nennt er sich nicht Lewinson? Egal, wie er heißt – das, was jetzt kommt, schreibe ich ihm jedenfalls.
     
    Sehr geehrter Herr Soundso!
    Ihren Brief vom Soundsovielten habe ich mit größter Aufmerksamkeit gelesen. Sie fragen mich, ob ich »so nett« wäre, Ihnen bei der

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