Das Intercom-Komplott
entgegenkamen. Ich geriet in Panik.
Schon gut, Mr. L. ich weiß. Sie sind der Meinung, ich hätte mich benommen wie ein Clown; Sie denken, es wäre besser gewesen, wenn ich gelassen geblieben wäre, wenn ich ihnen höflich, aber entschlossen zu verstehen gegeben hätte, daß ich Besucher nur nach Vereinbarung und nur während der üblichen Bürostunden empfange. Nun ja – wenn Sie meinen, Sie hätten sich in meiner Lage so verhalten, kann ich Ihnen nur gratulieren. Sie dürfen nur nicht vergessen, Mr. L. daß dieser Tag mir recht unangenehme Erlebnisse gebracht hatte. Innerhalb weniger Stunden hatte man mich entführt, einem harten Verhör unterzogen, geschlagen, bedroht; man hatte bei mir eingebrochen und mich mit Gas außer Gefecht gesetzt. Nach einer solchen Behandlung neigt man gern dazu, ein wenig hyperpragmatisch zu reagieren. Und wenn dann noch jemand auftaucht, der auf noch mehr Ärger schließen läßt, denkt man nicht lange nach. Man läuft weg.
Und ich lief weg.
Ich sprang über die Treppe geradewegs auf sie zu, wirbelte die Aktentasche gegen Richs Gesicht. Er wich rückwärts aus und prallte gegen den anderen Mann, der hinter ihm ging. Ich weiß nicht, ob sie versuchten, mich festzuhalten, als ich an ihnen vorbeihastete. Wahrscheinlich nicht, denn sie waren völlig aus dem Gleichgewicht geraten, und ich ließ ihnen keine Zeit, sich von ihrer Verblüffung zu erholen.
Rich rief mir noch etwas nach – er wolle sich nur mit mir unterhalten oder so –, aber ich dachte gar nicht daran stehenzubleiben. Auch Schneider hatte im Château Europa nur mit mir reden wollen. Als ich die Tür zur Straße erreichte, hörte ich, wie sie hinter mir her die Treppe herunterpolterten.
Der Fiat mit der Fribourger Nummer stand direkt vor der Tür, und im Vorbeilaufen sah ich, wie sich das Gesicht des Fahrers nach mir umwandte. Mein Wagen stand auf der anderen Seite der Straße. Als ich ihn erreicht hatte und gerade die Tür aufschloß, sah ich Rich und den anderen Mann aus dem Haus laufen und auf mich zurennen. Rich rief meinen Namen.
Obwohl ich kaum noch Luft bekam und schrecklich zitterte, gelang es mir, den Zündschlüssel ins Schloß zu bekommen und abzufahren, noch ehe sie mich erreichen konnten. Ich raste los wie ein Verrückter.
Am frühen Abend hatte es geregnet, und die Straßen waren noch naß. Als ich auf den Pont de la Coulovrenière einbog, kam ich gefährlich ins Schleudern. Es gelang mir nur mit knapper Not, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Meine Verfolger kamen dicht auf; als wir über den Boulevard Fazy fuhren, waren sie nur noch hundert Meter hinter mir. Ich bildete mir ein, ich könnte sie in den Straßen hinter dem Bahnhof Cornavin loswerden. Warum, dürfen Sie mich nicht fragen. Jetzt ist mir natürlich auch klar, daß sie – hätte ich ihnen hier entkommen können – nur zu meiner Wohnung fahren und dort warten mußten, bis ich nach Hause kam. Damals aber dachte ich nur an das eine: Ich wollte fort von ihnen. Ich überlegte, daß es mir gelingen könnte, wenn ich vor einigen entgegenkommenden Wagen an der Place de Montbrillant unvermittelt nach links abbiegen würde.
Es gelang. Ärgerlich war nur, daß ich mir für diesen Trick eine sehr enge Gasse ausgesucht hatte, die durch einen abgestellten Lastwagen versperrt war, und daß ich zu plötzlich und zu schnell abgebogen war. Mit quietschenden Reifen und in einem Winkel von fünfundvierzig Grad brach ich in die Nebenstraße ein. Bei einem schleudernden Wagen mit Heckmotor hat es keinen Sinn, den Fuß vom Pedal zu nehmen; man muß Gas geben, damit das Heck wieder in die Spur kommt. Hätte der Lastwagen nicht dort gestanden, es wäre mir wahrscheinlich gelungen. So aber blieb mir kein Platz zum Manövrieren. Ich versuchte gegenzusteuern, aber das Heck kam nicht schnell genug herum. Ich erwischte den Lastwagen mit meiner linken Seite. Danach – so jedenfalls erzählte man es mir später – schleuderte mein Wagen über den Bordstein und gegen den Prellstein einer Toreinfahrt. Bei dem Aufprall stieß ich mit dem Kopf durch die Windschutzscheibe und verlor das Bewußtsein. Es war, als hätte jemand ein Kerzenlicht in mir ausgeblasen.
So und nicht anders bekam ich es mit der Polizei zu tun.
KAPITEL 8
COMMISSAIRE PAUL - EMILE VAUBAN
Police Judiciaire, Genève
Redigiertes Tonbandinterview {*}
Der von Ihnen erwähnte Unfall ereignete sich am Freitag, dem 16. Dezember, gegen 23.25 Uhr. Der Stadtteil Cornavin liegt innerhalb
Weitere Kostenlose Bücher