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Das Intercom-Komplott

Das Intercom-Komplott

Titel: Das Intercom-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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Schultern.
    Das brachte sie noch mehr in Wut. »Genau. Sie wissen es nicht. Und jetzt« – dabei deutete sie mit dem Finger auf mich –, »jetzt verfolgt ihn auch noch die Polizei. Man sollte sich schämen.«
    »Mademoiselle …« begann ich, aber sie hatte offenbar keine Lust, einer vernünftigen Antwort zuzuhören.
    »Jawohl, man sollte sich schämen«, fuhr sie fort. »Und ich war dumm genug, ihm vorzuschlagen, daß er sich von der Polizei helfen lassen sollte.«
    Schließlich erklärte sie noch, sie werde sich an einen Rechtsanwalt wenden. Dann ging sie.
    Rückblickend kann ich nur sagen, daß ich mich absolut korrekt und den polizeilichen Vorschriften entsprechend verhalten hatte. Wie Sie selbst wissen, war dieser Fall höchst außergewöhnlich. Aus den unzulänglichen Informationen, die mir zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung standen, konnte ich nur schließen, daß sowohl Carter als auch seine Tochter ein wenig überspannt waren. Mlle. Carters Kritik an meiner Person und ihr späteres Verhalten erschienen mir absolut unangebracht.
    Wenn Mlle. Carter auch eine attraktive Frau sein mag, so ist bei ihr doch zweifellos eine charakterliche Ähnlichkeit mit ihrem Vater festzustellen.
     
    DR . MICHEL LORIOL
     
    Schriftlicher Bericht {*}
     
    Am Vormittag des 17. Dezember wurde ich in Abwesenheit des Chefarztes der neuropsychiatrischen Abteilung, Dr. Thomas, gebeten, einen im Laufe der Nacht in die Policlinique eingelieferten Unfallverletzten zu untersuchen.
    Bei diesem Patienten handelte es sich um Theodore Carter.
    Vor meiner Untersuchung konsultierte ich den Unfallarzt, der ihn behandelt hatte, und ließ mir von ihm die Krankengeschichte geben. Die Gehirnerschütterung war allem Anschein nach durch einen heftigen Aufprall verursacht worden. Die Röntgenuntersuchung hatte ergeben, daß irgendwelche Frakturen nicht vorlagen. Blutdruck und Puls waren normal. Die Behandlung beschränkte sich auf strikte Bettruhe und intravenöse Vitamin-B 6 -Injektionen, die den Abbau des Alkohols im Blut des Patienten beschleunigen sollten. Obwohl er jedoch mittlerweile sechs Stunden geschlafen hatte und der Alkoholspiegel auf eine fast normale Höhe abgesunken war, sprach er, wie mir mein Kollege sagte, noch immer dieselben zusammenhanglosen und unverständlichen Dinge wie zum Zeitpunkt seiner Einlieferung in die Klinik. Sein Verhalten war aggressiv. Zweimal hatte er versucht, das Krankenhaus zu verlassen, was unter Anwendung von Gewalt verhindert werden mußte. Da er unter Polizeiarrest stand, wurde er von der Unfallstation in einen Raum des Klinikanbaus verlegt. Außerdem nahm man seine Kleider unter Verschluß.
    Ich ging also zu ihm.
    Er saß in seinem Bett – ein blasser, grauhaariger Mann mit eingefallenen, unrasierten Wangen und angsterfüllten Augen. Über die linke Gesichtshälfte zogen sich Hautabschürfungen, und vier der Schnittwunden waren mit Pflaster verklebt. Er schielte ein wenig, als er mich ansah.
    »Ah. The young Dr. Kildare, I presume«, sagte er auf englisch. In seiner Stimme schwebte ein ausgesprochen feindseliger Unterton.
    Ich stellte mich vor und fragte ihn, ob er es vorziehen würde, daß wir uns auf englisch unterhalten.
    Er antwortete auf französisch, wenn es ein sinnvolles Gespräch werden würde, sei es ihm gleichgültig, welcher Sprache man sich dabei bediene; andernfalls würde er es vorziehen, überhaupt nichts zu sagen. Das war kein guter Anfang.
    Ich antwortete, daß ich überzeugt wäre, es könne ein vernünftiges Gespräch werden.
    »Sind Sie Psychiater?« fragte er.
    »Ja. Ich gehöre der neuropsychiatrischen Abteilung der Klinik an.« Ich begann mit der Untersuchung.
    »Sie sollten vielleicht doch wissen«, sagte er, »daß ich André Gides Ansicht über die Psychiatrie teile.«
    »Und die wäre?«
    »Er sagte, die Forderung, sich selbst zu erkennen, sei ebenso gefährlich wie niederträchtig, denn wer sich selbst zum Objekt seiner Beobachtung macht, bringt die eigene Entwicklung zum Stillstand.«
    Ich mußte lächeln. »Ich kenne diese Passage, von der Sie sprechen. Gide sagte dann, eine Raupe, die versucht, sich selbst zu erkennen, könnte nie ein Schmetterling werden. Das ist doch ziemlich unwahrscheinlich. Denn eine Raupe muß ganz einfach ein Schmetterling werden. Dieser natürliche Prozeß hat mit dem Wissen darum überhaupt nichts zu tun.«
    »Es war natürlich nur ein bildhafter Vergleich«, widersprach er mir. »Aber sei’s drum. Alles, was ich Ihnen zu verstehen geben wollte,

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