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Das Intercom-Komplott

Das Intercom-Komplott

Titel: Das Intercom-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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sie verprügeln konnten, würden sie sich vielleicht ihn vornehmen und nicht mich.
    So spät am Abend war es nicht besonders schwer, einen Parkplatz in der Nähe des Büros zu finden. Den Wagen mit der Fribourger Nummer hatte ich unterwegs nicht mehr gesehen.
    Unser Büro lag in der zweiten Etage. Die Briefkästen für das ganze Haus hingen im Erdgeschoß. Nicht so sehr, weil ich etwas zu finden erwartete, sondern aus purer Gewohnheit sah ich in unseren Kasten, als ich auf den Lichtschalter drückte. Ein Telegramm lag darin.
    Ich schloß den Kasten auf und öffnete das Kuvert. Es war das Telegramm Bruchners, in dem dieser mir Blochs Brüsseler Postlageradresse angab. Abgesehen davon, daß es mir zeigte, daß Dr. Bruchner sich noch um mich kümmerte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt freilich wenig damit beginnen. Ich steckte es in meine Manteltasche und ging die Treppe hinauf.
    Ungefähr eine halbe Minute hatte es gedauert, bis ich das Telegramm aus dem Kasten geholt, geöffnet und gelesen hatte; als ich mitten auf den Stufen war, erlosch das Licht. Ich fluchte, während ich mich zum Schalter der Minuterie in der zweiten Etage vorwärtstastete. Das Treppenhaus war nicht mit einem Teppich ausgelegt, und man kann wirklich sagen, daß ich ziemlich viel Lärm machte, bis das Licht schließlich wieder brannte und der Schlüssel im Schloß steckte – genug Lärm jedenfalls, um jeden im Büro von meiner Ankunft zu unterrichten.
    Die Tür war nicht durch ein Sicherheitsschloß gesichert, und wenn man sie abends nicht verschloß, konnte man sie durch einen Drehknauf öffnen. An diesem Abend hatte ich das Büro als letzter verlassen, und ich wußte genau, daß ich, wie sonst immer auch, abgeschlossen hatte. Aber als ich jetzt versuchte, den Schlüssel herumzudrehen, ging das nicht – die Tür war nicht verschlossen.
    Mein erster Gedanke war, daß die Concierge aus irgendeinem Grunde hereingekommen war – sie besaß einen Hauptschlüssel – und beim Gehen vergessen hatte, wieder abzuschließen. Ich stieß die Tür auf und tastete nach dem Lichtschalter.
    Das Treppenhauslicht war mittlerweile wieder verloschen, und ich hatte den Schalter noch immer nicht gefunden, als ich auf einmal roch, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Fast jedes Büro hat seinen ganz eigentümlichen Geruch. Bei uns roch es nach Vervielfältigerfarbe, nach Maschinenöl, nach Korrekturlack für die Matrizen und Nicoles französischen Zigaretten.
    Was ich aber nun roch, war Lavendelwasser.
    Mein Herz klopfte unangenehm heftig, und ich wandte mich zur Tür zurück. In diesem Augenblick leuchtete in nächster Nähe eine Taschenlampe auf.
    Da dieses Licht sehr hell war, hielt ich zum Schutz eine Hand vor die Augen. Ich glaube, ich wollte gerade sagen: »Was zum Teufel soll das!« Aber ich kam nicht dazu. Als ich meinen Mund öffnete, hörte ich ein dumpf zischendes Geräusch – es klang, als öffnete man eine Bierdose –, und irgend etwas platschte mir ins Gesicht.
    Eine Sekunde später – wahrscheinlich mit dem nächsten Atemzug – kam der Schmerz.
    Tränengas war es nicht. Das kenne ich. Bei einer Straßenschlacht in Paris hatte ich Bekanntschaft mit ihm gemacht. Das hier war zehnmal schlimmer; ein Nervengas, man könnte fast sagen, ein chemischer Totschläger. Es hatte keinen besonderen Geruch, aber es wirkte fast sofort. Zuerst ein stechender Schmerz in den Schläfen, dann im Hals und schließlich in der Brust. Unmittelbar danach folgte ein Gefühl, als wollte der ganze Magen herauskommen, ehe schlimmeres Unheil geschah. Es war, als würde ich explodieren. Ich glaube nicht, daß ich das Bewußtsein verlor, denn das nächste, woran ich mich erinnern kann, war, daß ich mit geschlossenen Augen herumtaumelte, mich übergab und nach Atem rang. Dann stolperte ich über einen Stuhl und fiel hin. Ich versuchte gar nicht aufzustehen. Ich wollte nur noch, daß der Schmerz nachließ und ich wieder Luft bekam.
    Ich weiß nicht, wie lange ich liegenblieb, wie lange es dauerte, bis die Magenkrämpfe nachließen; wahrscheinlich waren es zwanzig Minuten. Aber auch jetzt hatte ich Angst, mich zu bewegen. Ich fürchtete, die Schmerzen könnten von neuem beginnen, wenn ich mich rührte. Ich lag noch im kleinen fensterlosen Flur in völliger Dunkelheit. Nach einer Weile tastete ich meine Umgebung ab, um mich ein wenig zu orientieren. Ich berührte das Bein jenes Stuhles, über den ich gefallen war, und das gab mir einen kleinen Hinweis darauf, wo ich sein mußte, da

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