Das Intercom-Komplott
Patient habe noch nicht zu seiner alten Reaktionsfähigkeit zurückgefunden. Wenn sich sein Zustand jedoch bis morgen nicht verschlechtere, könne man ihn nach Hause entlassen, damit er sich in einer gewohnten Umgebung rascher erholen könne. Wahrscheinlich wäre es besser, riet ich zum Schluß, die Vernehmung dort durchzuführen.
Valerie und ihr Vater waren in ihrem Urteil über Commissaire Vauban nicht gerade zimperlich, meiner Ansicht nach vielleicht auch ein wenig ungerecht. Er machte sich wirklich Vorwürfe, weil er Carters erste Aussagen so rasch von der Hand gewiesen hatte, und er war bereit, seinen Fehler wiedergutzumachen. Und obwohl ihm sehr daran gelegen war, fand er sich doch bereit, meiner Ansicht zu folgen und mit der Vernehmung bis zum nächsten Morgen zu warten. Allerdings bestand er darauf, daß dies vor Carters Entlassung zu geschehen habe. Das, so muß ich zugeben, war unter den gegebenen Umständen nicht unvernünftig.
Wenn hier also jemand einen Fehler gemacht hatte, dann war ich es. Ich hätte einer Vernehmung noch am Abend zustimmen sollen, und ich hätte ihm sagen sollen, daß zwei Journalisten um ein Interview mit ihm nachgesucht hatten. Dann nämlich wäre Valeries Vater sehr viel Ärger erspart geblieben.
THEODORE CARTER
Mündliche Mitteilung
›Ärger‹? Um Gottes willen.
Ich war mit einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und einer Geldbuße von fünfzigtausend Franken bedroht. Und er nennt so etwas ›Ärger‹!
Ich weiß ein besseres Wort dafür, Mr. L. Am Anfang sagte ich Ihnen, daß da noch ein paar Dinge seien, über die ich noch nicht sprechen kann. Und das meinte ich auch so. Nein, nicht einmal vertraulich, nicht einmal unter vier Augen.
An einem Käfig im Pariser Zoo hing einmal ein Schild, das einigermaßen berühmt wurde. Wissen Sie, welches ich meine?
»Vorsicht! Dieses Tier ist gefährlich! Wenn es angegriffen wird, verteidigt es sich.«
So ungefähr ließe sich mein Verhältnis zu den schweizerischen Sicherheitsbehörden umschreiben. Als ich angegriffen wurde, verteidigte ich mich mit den einzigen Waffen, die ich zu führen verstehe – mit Worten –, und sie reagierten damit, daß sie mich einketteten und zum Schweigen brachten.
Nun gut, die Ketten mögen abgenommen sein – der Knebel ist es noch nicht. Solange ich in der Schweiz leben und arbeiten will, ist daran nichts zu ändern.
Was Sie bis jetzt von mir erhalten haben, ist ein detaillierter persönlicher Bericht über das, was sich gewissermaßen auf dem öffentlichen Sektor abgespielt hat. Damit möchte ich nicht sagen, daß Sie es auch von einem x-beliebigen anderen bekommen haben könnten – ich bin der einzige, der wirklich Bescheid weiß –, aber mit vertraulichen Informationen kann ich nicht helfen. Wenn Sie den Butzemännern auf die Füße treten wollen, bitten Sie mich nicht um Hilfe.
Ich bin bestimmt nicht übervorsichtig. Aber wenn Sie wissen wollen, was meine lieben alten Freunde Major X und Captain Y vom Bureau H sagten oder taten, müssen Sie sie schon selbst fragen.
Ich an Ihrer Stelle würde mich auf Vermutungen beschränken, auf ›Rekonstruktionen des Geschehens‹, wie Sie es nennen. Das ist sicherer.
Okay. Sie müssen sich selbst entscheiden. Aber sagen Sie nachher nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.
KAPITEL 9
REKONSTRUKTION DES GESCHEHENS
19. bis 23. Dezember
Theodore Carters Weigerung, noch einmal das Risiko einzugehen, sich den Unwillen der schweizerischen Spionageabwehr-Behörden zuzuziehen, kam nicht unerwartet; seine Verärgerung darüber, daß man auf ihn aufmerksam wurde, ist freilich schwerer zu verstehen. Nur wenigen Ausländern, die in der Schweiz lebten und arbeiteten, und gewiß keinem ausländischen Journalisten, konnte die überaus große Empfindlichkeit der Eidgenossen verborgen bleiben, mit der sie die Spionage innerhalb der Landesgrenzen behandelten, und auch die Gründe hierfür waren leicht einzusehen. Selbst wenn die Sicherheit der Schweiz nicht bedroht ist und kein Schweizer Staatsbürger verwickelt ist, betrachtet man doch jedwede Spionage als verwerflich, weil sie die Neutralität der Republik bedroht.
Es steht fest, daß Carter tatsächlich einige Zeit hindurch vom Paragraphen 301 des schweizerischen Strafgesetzbuches bedroht war:
Nachrichtendienst gegen fremde Staaten
1. Wer im Gebiete der Schweiz für einen fremden Staat zum Nachteil eines anderen fremden Staates militärischen Nachrichtendienst betreibt oder einen
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