Das Internat
auseinander und machte eine kleine Verbeugung, um ihm zu zeigen, dass sie die berüchtigte Weste nicht trug. "Kriege ich dafür Pluspunkte?", fragte sie. Der kakifarbene Rock und das weiße Männerhemd, das sie aus ihrem Schrank geangelt hatte, waren hochmodisch, verglichen mit dem, was sie normalerweise unter ihrer Robe trug – Kakihosen und ein Poloshirt.
Jaydee lachte. "Wann ist denn die Geschlechtsumwandlung geplant?"
"Du bist der Erste, der es erfährt. Und jetzt raus mit dir!"
Sie zeigte auf die Tür, aber Jaydee schien noch nicht gehen zu wollen.
"Ernsthaft, Mattie", sagte er. "Warum so burschikos? Was steckt dahinter?"
"Es funktioniert."
"Um Männer fernzuhalten?"
"Nein, um meine Ziele zu erreichen. Ich bin eine Kämpfernatur. Die Leute legen sich nicht gern mit mir an. Na ja, außer dir."
Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und wollte mit ihrer Arbeit weitermachen, nachdem die Unterhaltung beendet war. Sie musste sich eine Akte ansehen. Aber ihre Gedanken kehrten kurz zu dem Tag zurück, an dem Jaydee ihr das erste Mal begegnet war.
Plötzlich beugte er sich hinunter und berührte die Einkerbung unter ihren Lippen. "Du hast einen hübschen Mund", sagte er mit einer seltsamen, sanften Stimme. "Warum benutzt du ihn nicht für etwas anderes als nur zum Mittagessen?"
Ein hübscher Mund.
Mattie lief ein kalter Schauer über den Rücken, wegen der Worte und der Art, wie er es gesagt hatte. Sie sprang auf die Füße und starrte ihren Schützling an, als hätte er den Verstand verloren.
"Raus hier, Jaydee", sagte sie. "Verschwinde jetzt – und fass mich nie wieder so an."
"Hey, Euer Ehren, ich habe nichts Böses gewollt."
Zu aufgewühlt, um ein weiteres Wort zu riskieren, drehte sie ihm den Rücken zu. Ihre Schläfen pochten, aber sie hörte, wie er ging. Die Tür zu ihrer Kammer fiel ins Schloss, und erst jetzt ließ sie die Schultern fallen. Stumm betrachtete sie ihr Spiegelbild im Fenster und machte eine Bestandsaufnahme. Sie hatte überhaupt keine Ähnlichkeit mit einem Mann, egal was Jaydee sagte. Ihre geraden Schultern verrieten Stärke, aber ihr Körperbau war zierlich. Sie sprühte vor Energie. Aber trotz aller Härte und Durchsetzungskraft fühlte sie sich durchsichtig wie Glas. Wenn das Feuer verglüht war und die Schatten aufzogen, nahm ihr Gesicht einen zerbrechlichen, verzweifelten Ausdruck an – sie sah dann aus, als holten sie Gespenster ein. So wie jetzt.
Ihre wenig figurbetonte Kleidung wählte Mattie absichtlich. Keine Accessoires. Kein Make-up. Ihr Rock und ihre Bluse hätten modisch und sexy sein können, kombiniert mit Stilettos und hochgesteckten Haaren. Aber Mattie hielt ihre schulterlangen Locken mit einem einfachen schwarzen Haarband zusammen. Das war weder besonders trendy, noch betonte es ihre tiefblauen Augen und die ausgeprägten Wangenknochen. Mattie Smith hatte Ecken und Kanten, an denen man sich schneiden konnte, und sie setzte sie ein.
Aber weiß Gott, es war einsam. Wenn sie dieses Gefühl zuließ, war das fast mehr, als sie ertragen konnte. Sie hatte Jaydee angelogen. Sie hatte alle angelogen. Sie zog sich nicht so an, um ihre Ziele zu erreichen. Sie tat es, um sich vor Leuten zu schützen, vor Männern, die ihren Mund berührten …
3. KAPITEL
R owe-Akademie für Mädchen
Herbst 1981
"So ein hübscher Mund", stellte der Mann mit der Reibeisenstimme fest. "Gut, sie sieht ein bisschen unordentlich aus, aber das könnte ganz lustig werden. Ein echter Wildfang."
Die Frau, die das "Date" arrangiert hatte, schob das Mädchen ins grelle Licht einer Lampe, damit er sie besser sehen konnte. Die Uniform des Mädchens, ein karierter Faltenrock und eine weiße Bluse, kombiniert mit einem marineblauen Schal, den ein Monogramm zierte, betonte ihre schlaksige Gestalt. Von ihren blauen Kniestrümpfen war einer auf die Hälfte der Wade gerutscht, der andere bis zum Fußgelenk, so als ob sie hastig übergestreift worden wären. Eine glänzend schwarze Haarsträhne klebte an der feuchten Wange des Mädchens, aber es waren ihre wachsamen tiefblauen Augen, die ihr Gesicht dominierten.
Man hätte sie leicht als unordentlich bezeichnen können. Ungezähmt war der weitaus bessere Begriff, und ihr wildes Wesen war vermutlich die Quelle ihrer seltsamen, unsteten Erscheinung. Sie wirkte mürrisch, aber das kam von der Angst, die ihr Inneres durchflutete.
Sie befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen. Sie wollte nicht verführerisch wirken, aber ihr Mund war trocken und
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