Das irische Erbe
wie ein professionelles Model und sogar ein klein wenig geheimnisvoll. Aber ihr gefiel es nicht und sie wusch sich sofort alles ab.
Nina war einerseits noch sehr kindlich und konnte vor Freude Luftsprünge machen und begeistert in die Hände klatschen. Aber durch ihr desolates Elternhaus besaß sie auch eine gewisse Reife. Sie sagte einmal, ihre Mutter habe ihr gegenüber versagt und sie wolle niemals so werden wie diese. Dennoch gab sie ihr einen Großteil ihres monatlichen Verdienstes ab. Sie kaufte sich nur selten etwas und sagte oft, dass sie nichts brauche.
Bevor sie und Tim nach Irland gingen, gab es einen großen Streit mit ihrer Mutter. Es ging um Ninas Geld, von dem ihre Mutter mehr haben wollte, obwohl Nina nicht mehr zu Hause wohnte. Tim hatte sich schließlich eingemischt und Nina verteidigt, oder es zumindest versucht. Aber Ninas Mutter wurde hysterisch und nannte Tim einen Zuhälter. Daraufhin gingen beide, und seitdem gab es keinen Kontakt mehr.
Mensch, Nina, dachte sie. Dann kam ihr ein neuer Gedanke. Wie kam sie überhaupt ohne Geld zurecht? Ob Georg sie unterhielt? Oder war sie gar nicht mehr bei ihm? Wieder kroch die Sorge in ihr hoch. Vielleicht sollte sie doch ihre Eltern benachrichtigen. Aber was konnten diese schon tun? Sie würden natürlich sofort Tim die Schuld an allem geben.
Sie versuchte den Gedanken an Nina abzuschütteln, es wollte ihr aber nicht recht gelingen. Oder sollte sie sich an die Polizei wenden? Aber was, wenn alles in Ordnung und Nina mit diesem Georg glücklich war? Wie würde es aussehen, wenn die Polizei vor der Tür stand? Und vor welcher Tür überhaupt? Wie Tim nun wusste, war die Gruppe auf der Durchreise. Wer weiß, wo sie sich zurzeit überhaupt aufhielten. Nein, sie würde noch etwas warten.
Sie lehnte sich mit dem Kopf an die Kopfstütze, verdrängte den Gedanken an Nina und dachte an ihr neues Leben. Zum ersten Mal würde sie völlig unabhängig sein. Sie konnte alle ihre Vorstellungen verwirklichen und musste niemanden um Erlaubnis fragen. Sie war ihr eigener Chef. Tim war unkompliziert, er würde sich nicht einmischen, sondern sich um seine Pferde kümmern und alles andere ihr überlassen.
Die junge Frau neben ihr schlug das Buch zu und verstaute es in ihrer Handtasche. Claire konnte einen raschen Blick auf den Einband werfen. Ein typisches Frauenbuch mit dem Titel › Er, sie und ich. ‹
Sie schloss die Augen. Ihre Stirn war angespannt, was sie erst merkte, als sie versuchte, alle Gesichtsmuskeln zu lockern.
Außer dem Reitsport wollte sie auch ausgiebige Wanderungen durch die Schönheit der Landschaft anbieten. Vielleicht mit einem Wanderführer, den sie stundenweise beschäftigte. Und Tennis sollte auch möglich sein. Eine der kleinen Weiden konnte man leicht in einen einfachen Tennisplatz verwandeln. Es würde sich sicher jemand finden, der sich als Tennislehrer ein wenig nebenbei verdienen wollte.
Sie musste an ihre Eltern denken. Ihr Vater war ein begeisterter Tennisspieler. Tennis war das Einzige, das er ohne ihre Mutter machte, weil diese nicht gerne spielte und sich auch nicht verbesserte. Sie saß meistens auf der Tribüne und sah ihrem Mann zu. Sie trug dabei eine riesige Sonnenbrille und einen Hut und klatschte bei jedem gewonnenen Spiel begeistert in die Hände. Ihr Vater hatte sogar eine Zeit lang bei Turnieren mitgemacht und einige Male gewonnen. Nach einem verstauchten Fuß und einer längeren Pause spielte er zwar weiter, nahm aber nicht mehr an Wettkämpfen teil, was ihre Mutter bedauerte.
Sie musste sie unbedingt anrufen, um ihnen ihre neue Adresse und Telefonnummer zu geben. Für den Fall, dass es sie überhaupt wissen wollten.
Nach der Landung mietete sie sich am Flughafen einen Wagen und fuhr sofort in ihre Wohnung. Ihren eigenen Wagen wollte sie verkaufen. Er stand vorerst noch auf ihrem Stellplatz in der Tiefgarage. Vielleicht konnte sie ihn aber auch mit nach Irland nehmen. Ninas Wagen würde es nicht mehr lange tun.
Es roch muffig, wie sie schon im Flur feststellte. Über den Möbeln lag eine feine Staubschicht und ihre wenigen Pflanzen waren vertrocknet. Claire ging in die Küche und sah in den Kühlschrank. Außer der Butter und einer Tube Tomatenmark war alles schlecht geworden. Vor ihrer Abreise nach Irland hatte sie weder an ihre Pflanzen noch an die Lebensmittel gedacht. Sie hatte nur so schnell wie möglich zu Tim gewollt.
Sie riss die Fenster auf, räumte den Kühlschrank leer und sah ihre Post durch. Nichts
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