Das irische Erbe
Wichtiges, nur Werbung, eine Rechnung und ein Brief von Zoe. Sie steckte ihn in ihre Tasche, um ihn später zu lesen.
Dann öffnete sie den Kleiderschrank und verstaute ihre Sachen in drei großen Koffern. Danach war das Wohnzimmer an der Reihe.
Nach vier Stunden hatte sie alle ihre persönlichen Gegenstände eingepackt. Sie befanden sich nun in Kisten, die der Makler ihr nach Irland schicken würde. Ihre Wohnung wollte sie vorerst möbliert vermieten. Später konnte sie sie immer noch verkaufen.
Den Makler hatte sie vor ihrer Abreise angerufen, er würde sich um alles kümmern. Sie blickte auf die Uhr. Eigentlich sollte er schon da sein. Hoffentlich kam er bald, sie musste noch so vieles erledigen.
Sie stellte sich ans Fenster. Die Aussicht auf den Park war damals ein Grund gewesen, die Wohnung zu erwerben. Im Sommer konnte Claire Leute beobachten, die leicht bekleidet spazieren gingen. Im Winter, wenn Schnee gefallen war, wimmelte es dort von Kindern mit Schlitten, die den eigens angeschütteten Berg hinuntersausten. Aber im letzten Jahr hatte es nur an einem einzigen Tag geschneit und der Schnee war sofort wieder verschwunden.
Das Telefon schreckte sie aus ihren Gedanken hoch. Es war Zoe, deren Stimme so nah klang, als stünde sie direkt neben ihr. »Hallo, wo steckst du denn bloß?«, fragte sie fröhlich.
»Zoe, meine Güte, du hast Glück, dass du mich hier überhaupt erwischst.«
»Was denn? Bist du etwa bei Viktor eingezogen?«, fragte sie erstaunt. Zoe hatte ihr immer davon abgeraten und gesagt, sie solle bloß nichts übereilen.
»Nein, ich wohne jetzt in Irland und bin nur hier, um meine Wohnung aufzugeben.«
Es klingelte wieder. Diesmal an der Tür.
»Warte mal.«
Sie öffnete. Es war der Makler. Ein Mann in mittleren Jahren, gebräunt, als komme er geradewegs aus dem Urlaub.
»Hallo, kommen Sie herein. Ich bin gleich fertig«, sagte sie und machte eine einladende Handbewegung. Dann sprach sie wieder zu Zoe.
»Ich hätte dich sowieso noch angerufen, jetzt ist es ungünstig. Der Makler ist gerade gekommen.«
Sie sah ihn an, er lächelte professionell.
»Du bist also bei deinem Bruder. Ich denke, du hast Angst vor Pferden«, staunte Zoe.
»Ja, und nein. Lass uns doch heute Abend telefonieren.«
Aber Zoe war nicht zu bremsen.
»Was sagt denn Viktor dazu?«
Sie versuchte ihre Stimme zu dämpfen. Der Makler nickte ihr beschwichtigend zu und trat zum Fenster.
»Ich habe mich von Viktor getrennt. Er hat diesmal überzogen und versucht, mich vor seinen Yuppiefreunden vorzuführen.«
»Meine Güte, wie kann er nur?« Zoe mochte Viktor nicht und ihr ging verblüfft auf, dass niemand in ihrem Bekanntenkreis das tat. »Aber ich habe ja sofort gesagt, dass es nicht gut gehen wird. Die Yuppies sind Lena und ihr Typ. Wie heißt er noch gleich?«
»Max. Er hat wie meistens geschwiegen und nur gelächelt.«
Der Makler fuhr versonnen mit einem Finger über die Fensterbank aus Marmor.
»Ich bin froh, dass du dich getrennt hast.«
»Ich auch. Hoffentlich sehe ich Viktor nie wieder.«
»Wohl kaum, wenn du jetzt nach Irland gehst. Und was ist mit deiner Arbeit? Was sagt denn Clarence dazu?«
»Du meinst Conrad Pessoa? Ist mir völlig gleich, was er dazu sagt.«
Zoe lachte fröhlich. »Du hast völlig recht. Du musst einfach deinen Weg gehen. Das ist übrigens ein Spruch von meinem Herzallerliebsten.«
»Ole? Tatsächlich? Hätte ich ihm gar nicht zugetraut.«
»Da siehst du mal, was ein echter Schaffarmer ist. Aber wieso gehst du so plötzlich zu deinem Bruder?«
»Tim hat angerufen, er braucht mich.«
Der Makler warf ihr einen raschen Blick zu und lächelte sofort wieder. Ihr ging auf, dass sich ihre Hälfte des Gesprächs für ihn sicher merkwürdig anhören musste. Was mochte er bloß denken?
»Ich musste natürlich sofort zu ihm. Ich hoffe aber auch, dass ich dort etwas zur Ruhe komme.«
»Was wirst du denn in Irland tun?«
Die Anwesenheit des Maklers war ihr plötzlich unangenehm und sie sagte: »Ich baue ein Hotel. Zoe, ich bin etwas in Eile. Lass uns heute Abend telefonieren.«
»Okay«, willigte Zoe nun ein.
Sie legte auf und wandte sich dem Makler zu.
»Tut mir leid, dass ich Sie warten ließ.«
»Nicht schlimm«, winkte er ab.
Sie zeigte ihm die Wohnung, die ihm gefiel. Er hatte schon Interessenten. Zwei junge Männer aus den Staaten, die ein Jahr bleiben wollten.
»Sie werden begeistert sein«, sagte er zufrieden.
Dann sprachen sie den Vertrag durch, und als sie endlich
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