Das irische Erbe
in einem amerikanischen Unternehmen gearbeitet und verschiedene Abteilungen neu organisiert.«
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Ich war kein Frischling, der noch grün hinter den Ohren ist. Ich fand es unverschämt, dass Sie sich überhaupt ein Urteil erlaubten.«
Vielleicht hatte er recht.
»Aber so ist das wohl, wenn man in den Chef verknallt ist,« warf er spöttisch hin.
Jetzt wurde sie wütend. Sie hatte Dick Rogers einfach nur als Menschen geschätzt, mehr nicht.
»Vielleicht sollten Sie das in Zukunft beherzigen.«
Ihr kam ein Gedanke und sie lächelte.
»Danke für den Tipp. Den Rat möchte ich an Sie zurückgeben. Damit es Patricia eines Tages nicht genauso ergeht.«
Und damit verließ sie ihn.
Sie ging noch in ihr Büro, fuhr ihren Rechner hoch, löschte alle ihre Dateien und auch die Sicherheitskopien. Dann warf sie einen letzten Blick in den Raum und ging. Patricia saß nicht an ihrem Platz, aber sie hörte laute Stimmen aus Pessoas Büro.
Sie parkte auf dem Parkplatz der Bankangestellten, wie sie es immer getan hatte und sagte sich, dass auch dies das letzte Mal war. Die Bank war in einem surrealistisch anmutenden Glasbau untergebracht. Alles sah gleich aus, den Angestellten war sogar verboten worden, Pflanzen an die Fenster der Büros zu stellen, weil die Geschäftsleitung den einheitlichen Eindruck nicht stören wollte. Wie albern. Und wie hässlich dieser Bau war, verglichen mit ihrem Steinhaus.
Sie hoffte, dass sie Viktor nicht sehen musste. Für ihre Konten war er Gott sei Dank nicht zuständig. Am Empfang saß eine ältere Frau, die sie nicht kannte. Sie musste einen Moment warten und setzte sich in einen der tiefen Sessel, die die Bank Besuchern bot. Von hier aus konnte sie Viktors Bürotür sehen. Sie stand offen, also war er außer Haus. Wenn er da war, war seine Tür immer geschlossen.
Aber dann sah sie ihn hinter einem der Schalter. Er sprach gerade mit einer blonden Mitarbeiterin im schwarzen Hosenanzug. Auch sie musste neu sein. Sie kannte sie jedenfalls nicht. Wenn Viktor zurück in sein Büro ging, würde er sie unweigerlich sehen. Rasch stand sie auf und ging zur Toilette, ließ die Tür aber angelehnt und beobachtete den Flur.
Viktor und die neue Mitarbeiterin nahten. Er blieb auf dem Flur stehen und befestigte einige Notizen am schwarzen Brett, die Neue steuerte die Damentoilette an. Mist.
Sie stellte sich schnell vor den Spiegel, zog einen Lippenstift aus der Tasche und trug ihn auf.
Die Angestellte ging in eine der Kabinen und Claire schlich sich wieder an die Tür. Viktor stand immer noch vor dem schwarzen Brett, neben ihm eine ältere Frau, seine Stellvertreterin.
Die Wasserspülung ging. Sie eilte wieder vor den Spiegel, den Lippenstift noch in der Hand.
Der Hosenanzug erschien hinter ihr. Claire lächelte ihr zu und horchte mit einem Ohr nach Viktors Stimme. Er sprach immer noch.
Wieder trug sie den Lippenstift auf, während die Angestellte darauf wartete, dass sie fertig wurde. Claire ärgerte sich, sie konnte jetzt unmöglich rausgehen. Sie drehte sich um, lächelte und sagte: »Finden Sie die Farbe zu knallig?«
»Ja«, sagte der Hosenanzug kurz. »Brauchen Sie noch lange?«
Viktors Stimme war verstummt.
»Nein, ich bin fertig«, sagte sie und verließ die Toilette. Sie ging wieder an ihren Platz und versteckte sich hinter einer Zeitschrift. Kurz darauf trat ein junger Mann auf sie zu. Auch ein Neuer. Er trug den obligatorischen dunklen Anzug und ein blütenweißes Hemd, aber sein akutes Akneproblem konterkarierte den Eindruck des erfahrenen Bankers. Er stellte sich vor, sagte, ihr früherer Sachbearbeiter sei in Pension gegangen und er sei daher nun für sie zuständig. Dann führte er sie in sein Büro und sie atmete erleichtert auf. Er wusste nicht, dass sie und Viktor sich kannten. Gut so.
Als sie ihm sagte, sie wolle ihre Konten auflösen, sagte er sofort, darüber müsse er den Filialleiter informieren. »Er will bei allen Kündigungen mit dem Kunden persönlich sprechen«, erklärte er und wollte schon aufstehen.
»Nein«, sagte sie hastig. »Das ist unnötig. Ich ziehe nach Irland, das ist der Grund für die Kündigung. Ihrem Chef geht es doch sicher darum, die Kündigung abzuwehren. Aber in meinem Fall geht es nicht anders. Außerdem fühle ich mich wohl bei dem Gedanken, dass Sie sich um meine Konten kümmern. Ich finde
Sie wirklich sympathisch.«
»Das freut mich«, sagte er geschmeichelt.
Er konnte einem schon leid tun, der arme
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