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Das Ist Mein Blut

Titel: Das Ist Mein Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrun Arenz
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konfus. Und dann wurde er ziemlich blass, als Rainer ihm den Grund seines Anrufes mitteilte.

20
    Eva sah mit einer Mischung aus Mitleid und Ärger auf Andreas König herunter. Der Junge saß schwitzend in einer der Kirchenbänke und vermied es, ihr ins Gesicht zu schauen. Als sie jedoch keine Anstalten machte, etwas zu sagen, begann er, stockend und undeutlich seine Geschichte zu erzählen. »Also, das war alles nur, weil, weil mich der Pfarrer Römer im Konfiunterricht fertiggemacht hat, wegen dem Glaubensbekenntnis, weil ich das nicht gelernt hatte.«
    Eva vergewisserte sich mit einem Blick, dass Rainer mitschrieb. Er machte seine Notizen auf einem seiner lächerlich kleinen Zettel.
    »Und deswegen warst du sauer auf den Pfarrer?«, fragte sie, als Andi nicht weitersprach.
    »Ja. Und am Sonntag sitz ich im Gottesdienst, wissen Sie, und vor mir in der Bank sitzt dieser Mann und ne Frau daneben.«
    Evas Blick hatte sich unverwandt auf das kaputte Kirchenfenster geheftet, dieses Indiz für einen Einbruch, der vielleicht gar nicht stattgefunden hatte, doch nun sah sie den Jungen scharf an. »Ein Mann?«, wiederholte sie und holte das Bild von Dietmar Kronauer aus ihrer Tasche. »War es dieser Mann?«
    Andi sah sich das Foto nur flüchtig an, ehe er nickte. »Der Mann, der ermordet worden ist«, nuschelte er. »Von dem haben sie in der Zeitung geschrieben. Der hat mit der Frau geflüstert, und dann, als Abendmahl war, da sind die zwei vorgegangen zum Altar. Und wie sie sich wieder gesetzt haben, hat die Frau so was gesagt wie, dass der Kelch richtig wertvoll ist und dass man mal herausfinden sollte, wie der überhaupt in die Kirche gekommen ist.«
    Der Junge strich mit feuchten Händen über die Holzlehne der vor ihm stehenden Kirchenbank, ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und heftete ihn schließlich auf die Kanzel. Über deren Brüstung hing ein weißes Parament mit den aufgestickten Worten »Herr ist Christus«. Eva musste sich räuspern, um ihn ans Weitersprechen zu erinnern.
    »Nach der Kirche ist der Pfarrer gleich gegangen, aber der Mann und die Frau sind noch kurz sitzen geblieben, und dann hat der Mann den Mann gesehen, der in der Kirche aufräumt. Der hat gerade die Schalen vom Altar zusammengeräumt, als der Mann zur Frau gesagt hat, sie soll schon mal gehen, er kommt dann nach. Er ist dann zu dem Mann gegangen und hat mit ihm geredet.«
    Rainer, der in winziger Schrift zunehmend hastiger seine Notizen gemacht hatte, sah auf. »Okay, Moment mal. Der Mann – Kronauer, ja, der getötet worden ist? – hat mit dem Messner geredet, der die Abendmahlsgeräte weggeräumt hat? Ist das richtig so?«
    »Ja, und wie sie geredet haben, hat der Mann, der Tote, also, der jetzt tot ist, mein ich, den Messner ein bisschen zur Seite gezogen, und auf dem Altar stand der Koffer mit den Sachen aus Silber, und …« Der Satz ging in unverständlichem Gemurmel unter, aber die beiden Polizeibeamten wussten, was dann passiert war. »Und da hast du dir den Koffer geschnappt und bist weggelaufen, ja?«, fragte Eva kopfschüttelnd.
    Andi nickte mit gesenktem Kopf. »Tut mir leid«, nuschelte er. »Ich hab so was noch nie gemacht. Ich bin einfach weggerannt, hintenrum, wo die Gasse ist und dann die Felder kommen. Aber der Mann ist plötzlich hinter mir hergelaufen. Der war echt fit!« Die Stimme des Jungen klang fast bewundernd, als er erzählte, wie Kronauer ihn eingeholt hatte.
    »Was hat er denn zu dir gesagt?«, wollte Eva wissen.
    »’n paar Ohrfeigen, hat er gesagt, würden mir gut tun.« Andi grinste ein wenig verschämt. »Er hat mir den Koffer abgenommen und geschimpft, ich soll mich zusammenreißen und mir mit so blöden Diebstählen nicht die Zukunft kaputtmachen. Ich hab ihm gesagt, dass ich so was noch nie gemacht hätte, und dass es mir leid täte, und da hat er gelächelt und geantwortet: ›Guter Junge‹. Ich hab gefragt, was er jetzt tut, und ob er zur Polizei geht. Ich wollte doch nicht vor Gericht. Aber er meinte nur, er bringt die Sachen zurück. Ich dachte noch, der Messner wird bestimmt die Polizei rufen, und außerdem wird er dem Pfarrer alles erzählen, aber der Mann war sich sicher, nee, hat er gemeint, der wird bestimmt nichts sagen, dafür sorgt er schon. Und ich sollte auch niemandem was erzählen. Und dann hat er den Koffer geöffnet, einen Becher rausgenommen und angeschaut. In dem Moment musste ich daran denken, was er zuvor in der Kirche gesagt hat, und hab ihn gefragt, was an dem Becher so

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