Das Jahr der Flut
beneidete sie um ihre glitzernden, schimmernden Sachen wie die rosa, lila und silbernen Fernseh-Foto-Handys, die wie die Spielkarten eines Zauberers zuckten und blitzten, oder die See/H/Öhr-LekkerBits, die sie sich zum Musikhören in die Ohren steckten. Ich wollte auch so grellbunt und frei sein wie sie.
Wir durften uns mit den Plebsratten nicht anfreunden, und sie behandelten uns wie Außenseiter, hielten sich schreiend die Nase zu und bewarfen uns mit Sachen. Die Adams und Evas behaupteten, wir würden wegen unseres Glaubens verfolgt, aber in Wirklichkeit war es wegen unserer Garderobe: Die Plebsratten waren extrem modebewusst und hatten immer das Beste an, was sie tauschen oder klauen konnten. Wir durften zwar keinen Umgang mit ihnen haben, aber immerhin konnten wir sie belauschen. So eigneten wir uns ihr Wissen an − man fing es sich ein wie Bazillen. Wir starrten auf dieses verbotene weltliche Leben wie durch einen Maschendrahtzaun.
Einmal fand ich so ein schönes Fotohandy auf dem Gehweg. Es war dreckig und hatte keinen Empfang, aber ich nahm es trotzdem mit nach Hause, und die Evas erwischten mich damit. »Das weißt du doch wirklich besser«, sagten sie. »So ein Gerät kann schädlich für dich sein! Es kann dir das Gehirn verbrennen! Du solltest so etwas nicht mal angucken: Wenn du es sehen kannst, kann es dich sehen.«
14.
Im Jahr Zehn begegnete ich Amanda zum ersten Mal, als ich zehn war: Ich war immer so alt wie das Jahr, leicht zu merken.
Es war Sankt Farley der Wölfe − Sammeltag der Jungbioniere, der Tag, an dem wir peinliche grüne Halsbänder umbinden und draußen rumlaufen mussten, um für die Recycling-Arbeiten der Gärtner Material aufzulesen. Manchmal sammelten wir Seifenreste, indem wir mit einem Korb in der Hand die guten Hotels und Restaurants abklapperten, weil die immer tonnenweise Seife in den Müll warfen. Die besten Hotels lagen in den reichen Plebs − Fernside, Golfgreens und SolarSpace, dem reichsten von allen −, und obwohl wir nicht durften, trampten wir da immer hin. So war das mit den Gärtnern − man wurde losgeschickt, um irgendwas zu machen, und dann wurde einem der einfachste Weg abgeschnitten.
Am besten war die Rosenseife. Bernice und ich steckten immer für uns selbst welche ein, und meine bewahrte ich in meinem Kopfkissenbezug auf, um den modrigen Geruch meiner feuchten Bettdecke zu übertünchen. Den Rest brachten wir den Gärtnern aufs Dach, die das Ganze in ihren BlackBox-Solarkochern zusammensiedeten, auskühlen ließen und in Stücke schnitten. Die Gärtner benutzten sehr viel Seife wegen ihrer Angst vor Mikroben, aber ein Teil der Seifenstücke wurde auch zur Seite gelegt. Die Seife wurde in Blätter gewickelt und mit Grashalmen verschnürt, um beim Baum-des-Lebens-Naturalienmarkt an Touristen und Schaulustige verkauft zu werden, zusammen mit den Würmertüten und den Bio-Steckrüben und Zucchini und dem anderen Gemüse, das die Gärtner übrig gelassen hatten.
*
Es war aber kein Seifentag, sondern ein Essigtag. Wir gingen an die Hinterausgänge der Bars und Nachtclubs und Striplokale, durchsuchten die Abfallkartons nach Weinflaschen und füllten die Reste in unsere Jungbionier-Emailleeimer um. Dann brachten wir das Zeug in die Wellness-Klinik, wo es im Essigraum in die riesigen Fässer kam und zu Essig fermentierte, den die Gärtner zum Putzen verwendeten. Was davon übrig blieb, kam in kleinere Flaschen, die wir auf unseren Sammeltouren fanden und mit Gärtneretiketten versahen. Die wurden dann ebenfalls beim Baum des Lebens verkauft.
Bei unserer Jungbionierarbeit sollten wir nützliche Dinge lernen. Zum Beispiel: Nichts verkommen lassen, nicht mal Wein aus sündigen Lokalen. Abfall, Müll oder Dreck, so was gab es gar nicht, das waren nur Stoffe, die noch keine sinnvolle Verwendung gefunden hatten. Und vor allem mussten alle, auch die Kinder, ihren Beitrag zum Leben in der Gemeinschaft leisten.
Shackie und Croze und die älteren Jungs tranken den Wein manchmal, statt ihn umzufüllen. Wenn sie zu viel getrunken hatten, fielen sie hin oder mussten sich übergeben, oder sie prügelten sich mit den Plebsratten und bewarfen die Penner mit Steinen. Aus Rache pinkelten die Penner in die leeren Weinflaschen, um zu sehen, ob sie uns reinlegen konnten. Ich selbst hab nie von der Pisse getrunken: Man brauchte ja nur an der Flaschenöffnung zu riechen. Aber einige der Kinder hatten durch das viele Rauchen von Zigarettenkippen und Zigarrenstümpfen oder
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