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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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und wusste im selben Augenblick, dass sie es war, die ihn retten würde. Ohne es zu ahnen, hatte Laura einem Ertrinkenden die Hand gereicht und ihn ins Leben zurückgezogen. Dafür würde er ihr dankbar sein bis ans Ende seiner Tage.

4
    Pogo! Jan glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er vom See zurückkam, um den er seine morgendliche Joggingrunde gelaufen war. Das war doch Pogo, der da vor der Haustür lag. Aber das war unmöglich. Pogo war vor zehn Jahren verschwunden. Von einem Tag auf den anderen war er nicht mehr da gewesen. Der Hund, den er kurz vor seinem achtzehnten Geburtstag aus einem völlig verwahrlosten Bauernhof gerettet hatte und der viele Jahre nicht von seiner Seite gewichen war. Als der Hund die Schritte des Mannes hörte, der vom See herauf zum Haus kam, hob er den Kopf. Mit wedelndem Schwanz ging er auf ihn zu.
    Jan sah ihn fassungslos an. Das war doch unmöglich. Dieser Hund glich dem kräftigen Kerl, den er so geliebt hatte, bis auf die wenigen weißen Haare in der Schwanzspitze.
    »Pogo?« Er ging vor dem Hund in die Knie und streichelte seinen schönen Kopf. Es war vollkommen unmöglich, dass dieser hübsche, wenn auch ein wenig verwahrloste Kerl sein Hund sein sollte. Auch wenn er ihm wie selbstverständlich den Kopf auf die Knie legte, wie es Pogo immer getan hatte. Pogo war schon zu dem Zeitpunkt, als er verschwunden war, nicht mehr der Jüngste gewesen. Doch dieser Hund, der ihm nun die Hände leckte, war noch jung, höchstens drei, vielleicht vier Jahre alt. Konnte es sein, dass er ein Nachfahre Pogos war? Oder sah er ihm einfach nur zum Verwechseln ähnlich? Jan suchte nach einer Hundemarke, befühlte das Fell am Hals, ob er vielleicht einen Chip entdecken konnte. Doch da war nichts. Aber er musste jemandem gehören, und derjenige würde ihn vermutlich schon vermissen.
    »Wir werden dein Herrchen schon finden, keine Angst. Ich ruf gleich mal bei der Polizei an. So einen hübschen Kerl wie dich wird doch jemand vermissen.«
    Er richtete sich auf und ging auf das Haus zu. Und er wunderte sich nicht, dass der Hund ihm auf den Fersen folgte und wie selbstverständlich das Haus hinter ihm betrat.
    Ich hab’s gewusst, das Leben ist super.
    Als Laura die Augen öffnete, fiel ihr erster Blick auf die kahlen Buchenäste, die sich leise im Wind bewegten. Noch floss die Sonne geradezu in das Schlafzimmer. Sie machte den Schrecken der Nacht vergessen. Laura verschränkte die Arme im Nacken und ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen. Sie hatte gestern Abend gar nicht wahrgenommen, wie schön es eingerichtet war. Gegenüber dem Bett stand eine moderne Kommode aus gekalktem Eichenholz, zu der der kleine Tisch am Fenster und der mit einem schwarz-weißen Karostoff bezogene Sessel passten. Der Schrank an der Stirnwand war alt. Ein riesiger Barockschrank mit zwei Türen und drei gleich großen Schubladen. Das Bett, in dem sie schließlich so gut geschlafen hatte, war eins dieser Boxspringmodelle, von denen sie schon als junges Mädchen geträumt hatte, die sie sich aber nie hatte leisten können. Das hohe Rückenteil, das an der Wand stand, war mit zartgrauer Seide bezogen, zu der die durchscheinenden Vorhänge vor den beiden großen Fenstern passten. Zwei kleine alte Tischchen dienten an den beiden Seiten des Betts als Abstellfläche. Noch wirkte alles ein wenig steril und unbelebt. Aber war das ein Wunder? Zehn Jahre hatte hier niemand geschlafen.
    Aber Jan hat hier doch gewohnt. Sogar ein paar Jahre lang. Schon komisch, dass so gar nichts Persönliches hier von ihm herumsteht.
    Vielleicht hatte er ja damals, bevor er weggegangen war, alle persönlichen Sachen irgendwo verstaut. Seine Bücher, vielleicht auch ein paar Bilder. Oder Fotografien von seiner Familie. Ja, so war es sicher. Bestimmt würden sich auf dem Dachboden oder in einer Kammer ein paar Kisten finden, in denen das frühere Leben des Jan Plathe eingemottet war. Sie würde ihn beim Frühstück danach fragen. Gleich nachdem sie in Erfahrung gebracht hatte, wo man hier einkaufte, wo es einen Friseur gab und eine Buchhandlung, eine Bäckerei und einen Metzger. Das alles würde sie so schnell wie möglich in Erfahrung bringen, und dann würde der Alltag beginnen.
    Sie öffnete den kleinen Koffer, in dem sie die Sachen für die ersten paar Tage untergebracht hatte, bis der Umzugswagen mit ihren Habseligkeiten hier eintreffen würde. Oben auf ihren Pullovern lag das Allerwichtigste: ihre Heiratsurkunde. Der Beweis, dass sie am

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