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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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sechzehnten März dieses Jahres die Ehefrau von Jan Plathe geworden war. Ihre Unterschrift auf der Urkunde war ein wenig krakelig. Ihre Hand hatte ziemlich gezittert, als sie zum ersten Mal ihren neuen Namen schreiben musste: Laura Plathe. Dabei hatte sie ihr Leben lang behauptet, dass sie niemals den Namen ihres Bräutigams annehmen würde. Sie war überzeugt gewesen, dass sie bis zu ihrem Tod Laura Nordmeyer bleiben würde. Und hatte das auch Jan gesagt, als er sie gefragt hatte, wie sie das mit dem Namen halten wollte. Und er hatte es sofort akzeptiert. Umso verblüffter war er dann, als sie die Frage des Standesbeamten, wie sie denn in Zukunft heißen wolle, spontan mit »Plathe« beantwortete. Eigentlich war sie kaum weniger überrascht über ihren Sinneswandel als Jan. Hatte sie sich versprochen, weil sie so aufgeregt war? Aber als Jan sie fragte, ob sie sich denn sicher sei, dass sie seinen Namen annehmen wolle, hatte sie keine Sekunde überlegt und noch einmal deutlich gesagt, dass sie in Zukunft Laura Plathe heißen wollte. Es war einfach richtig so. Sie wollte, dass alle, denen sie begegneten, sofort wussten, dass sie die Ehefrau dieses Mannes war.
    »Guten Morgen, Laura Plathe.«
    Laura lächelte sich im Spiegel zu. Sie betrat vorsichtig das Bad, um nicht in die Scherben des Parfumfläschchens zu treten, das ihr gestern heruntergefallen war. Sie würde sie wegmachen, sobald sie wusste, wo sich in diesem Haus Besen und Kehrschaufel befanden. Einstweilen musste sie nur vorsichtig sein, dass sie mit ihren nackten Füßen nicht in die Scherben trat. Doch da waren keine Scherben mehr. Auch der dunkle Fleck, den das Parfum auf den Kacheln hinterlassen hatte, war nicht mehr da. Jan musste sich darum gekümmert haben, bevor er schwimmen ging. Wie aufmerksam von ihm.
    Sie nahm die breite Bürste, um ihre Haare durchzukämmen, da hörte sie dieses Geräusch. Ein Schnaufen vor der Tür. Die Härchen auf ihrem Arm stellten sich auf. Sie brachte die Bürste in Stellung, um zuschlagen zu können, falls irgendwer die Tür öffnete. Und musste plötzlich lachen, als sie sich im Spiegel sah.
    Ich hab sie wohl nicht alle. Was ist denn plötzlich in mich gefahren?
    » Hund? He, wo bist du?«
    Jan hatte einen Hund? Merkwürdig. Wieso hatte er auch von dem nichts erzählt? Und außerdem: Wo war der Hund in den Wochen gewesen, die Jan bei ihr verbracht hatte? Doch nicht hier, in diesem Haus? Er hatte doch gesagt, dass er seit zehn Jahren…
    »Da bist du ja. Hör mal, das geht nicht, dass du einfach im Haus herumstromerst.«
    Jans Stimme war näher gekommen. Das Schnaufen vor der Tür hörte abrupt auf. Das klickende Geräusch von Hundekrallen, die über einen Holzboden liefen, war zu hören.
    Laura öffnete die Tür. Ein schwarzer Hund raste auf sie zu, hohe, begeisterte Fieptöne von sich gebend. Gleich würde er sie anspringen. Laura spannte unwillkürlich ihre Muskeln an, um dem unweigerlichen Ansturm des Hundes standhalten zu können. Einen Meter vor ihr blieb der Hund stehen. Er stieß ein Winseln aus, sein eben noch hoch erhobener Schwanz senkte sich. Er schlich zu Jan zurück und legte sich zu dessen Füßen nieder.
    »Ich wusste gar nicht, dass wir einen Hund haben.«
    »Haben wir auch nicht. Er hat sich wohl verirrt. Ich kenne ihn jedenfalls nicht.«
    »Aber er scheint dich zu kennen.« Laura gefiel der Hund, der Jan jetzt hingebungsvoll die Hand abschleckte, auf Anhieb.
    Sie ging in die Hocke, lockte ihn.
    »He, du Schöner, komm doch mal her.«
    Der Hund ließ einen Augenblick von Jans Hand ab, sah mit schräg gelegtem Kopf zu Laura, um sie dann zu ignorieren. Einen kleinen Moment lang wollte Laura beleidigt sein. Doch dann trat sie auf Jan zu.
    »Guten Morgen, mein Ehemann.«
    »Guten Morgen, Frau Plathe. Hast du gut geschlafen?«
    Als sie einander umarmten und küssten, beobachtete der Hund das mit schief gelegtem Kopf. Er drängte sich an Jans Beine. Und als Jan und Laura die Treppe hinuntergingen, blieb er dicht an Jans Seite. Als würde er selbstverständlich zu ihm gehören.
    Marius beobachtete Elke, die sich vor dem Garderobenspiegel die Lippen schminkte. Sie war heute Nacht wieder am See gewesen. Er war sich nicht sicher, ob sie bemerkt hatte, dass er aufgewacht war, als sie leise das Haus verließ.
    Und er war immer noch wach gewesen, als sie kurz vor Morgengrauen wieder ins Bett geschlüpft kam. Sollte er darüber reden? Sollte er sie fragen, was los war? Aber er wusste schon, was sie antworten würde.

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