Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Liebesnacht in ihrem neuen Zuhause, bis ein heftiger Windstoß das angelehnte Fenster aufdrückte und die kühle Nachtluft, die ihren Rücken traf, sie plötzlich schaudern machte.
    Laura Plathe. Jan hatte also wieder geheiratet. Hanno ging den schmalen Weg, der am Ufer des Sees entlangführte, zu seinem Haus zurück. Unter dem aufgekommenen Wind kräuselte sich das Wasser zu kleinen Wellen, die mit leisem Schwappen an das bewachsene Ufer klatschten. Der Vollmond platzte aus einer dicken Wolke. Mit einem Mal lagen der See und der Wald wie verzaubert in silbernem Licht. Hanno hasste diese Vollmondnächte. Ihr Zauber hatte sich in jener Nacht in einen Albtraum verwandelt. Damals. Diese weiße Haut! Nie mehr hatte er den silbernen Glanz dieser Haut vergessen können. So zart, so unschuldig, so kalt. Dunkle Haare hatten das schöne Gesicht medusenhaft umschwebt. Schwarze Augen hatten ihn mit irritierendem Glanz angestarrt. Sie hatten ihn seit damals verfolgt, diese Augen. Keine Nacht, in der er nicht von ihnen heimgesucht worden war. Er hatte sich angewöhnt, sehr spät zu Bett zu gehen, um die Zeit des Schlafes, in der ihn die Albträume heimsuchen konnten, so kurz wie möglich zu halten. Und oft nahm er die starken Schlaftabletten, die er sich über einen befreundeten Arzt in Templin besorgte, damit er wenigstens hin und wieder in einen traumlosen Schlaf sinken konnte. Was er getan hatte, hatte sein Leben zerstört. Doch er wusste, er würde es immer wieder tun. Er hatte keine Wahl gehabt, hatte getan, was er tun musste. Auch wenn er gewusst hatte, dass seine Tat nicht nur ihn seine Ruhe kosten, sondern auch Jan in tiefes Unglück stürzen würde.
    Das verzweifelte Stöhnen riss Laura aus dem Schlaf. Einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie war. Panik kroch in ihr hoch. Ihre Augen versuchten, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Sie tastete nach Jan, der das Geräusch offensichtlich nicht wahrgenommen hatte.
    »Jan!«
    Doch sie tastete ins Leere, fühlte nur das seidige Laken. Wo ist er? Sie stand auf und fand das kleine Licht auf der Kommode. Im dämmrigen Schein der Lampe sah sie sich um. Jan war tatsächlich nicht da. Da war es wieder. Ein Ächzen, so qualvoll, dass es ihr ins Herz schnitt. Ihr Puls raste. Sie schlüpfte in das erste Kleidungsstück, das ihr in die Hand fiel. Jans Hemd. Barfüßig tappte sie aus dem Zimmer. Als sie den Lichtschalter im Flur betätigte, tat sich nichts. Das Haus blieb dunkel. Nur das Mondlicht legte eine silberne Straße über die offene Galerie, an der das Schlafzimmer und das angrenzende Bad lagen. Die Hand auf dem hölzernen Treppengeländer, das vom vielen Benutzen eine seidenglatte Oberfläche hatte, suchte sie sich Schritt für Schritt den Weg nach unten. Vielleicht war Jan in die Küche gegangen, um sich etwas zu trinken zu holen? Ein Knarren ließ sie innehalten. Sie fühlte die Furcht ihren Rücken herau f kriechen. Da war doch jemand. Irgendjemand schlich im Haus herum.
    »Wer ist da? Jan? Bist du es? Jan?«
    Verdammt, was ist hier los? Wo bin ich hier gelandet?
    Mit zitternden Knien stieg sie weiter die Treppe hinab. Gleich würde ihr das Herz aus der Brust springen.
    Plötzlich war die Halle hell erleuchtet.
    »Laura. Was ist denn los? Wieso schleichst du hier im Dunkeln herum?«
    Jan kam die Treppe herauf, nahm sie in die Arme. Erleichtert sank sie an seine Brust.
    »Ich bin wach geworden, und du warst nicht da.«
    »Und dann hat das kleine Mädchen Angst bekommen in dem großen fremden Haus. Wieso hast du das Licht nicht angemacht? Du hättest dir den Hals brechen können.«
    Als er ihr ein Glas Wasser reichte, hatte sich Laura schon wieder beruhigt.
    Bin ich total bescheuert? Mich dermaßen anzustellen. Jan wird denken, er hätte eine hysterische Tussi geheiratet.
    » Ich hab Geräusche gehört. Ich hab gedacht, da ist jemand im Haus.«
    Jan nahm ihr das Glas ab und setzte sich neben sie auf das Sofa. Sorgsam legte er eine Wolldecke um ihre Schultern, zog sie an sich.
    »Diese alten Häuser reden mit ihren Bewohnern. Hast du das nicht gewusst? Das Holz arbeitet. Im Sommer dehnt es sich in der Hitze aus, im Winter zieht es sich zusammen. Manchmal klingt das wirklich wie ein Ächzen oder Stöhnen. Aber du wirst dich daran gewöhnen.«
    Er sah Lauras zweifelnden Blick.
    »Es ist niemand im Haus außer uns. Wenn du mir nicht glaubst, seh ’ ich gern in allen Zimmern nach, ob sich vielleicht ein Einbrecher versteckt hat.«
    Laura wusste, dass das nicht nötig war. Es

Weitere Kostenlose Bücher