Das Jahr der Kriesen
nur ungeduldig. Sein Wunsch war fortzufahren, nichts anderes. »Komm schon, Sal«, sagte er ruhig. »Ich warte.«
Die Parteibosse und Sal Heim berieten sich im Kontrollraum.
»Er wird nachgeben«, sagte Pat zu Jim Briskin. »Ich kenne Sal.« Ihr Gesicht war ausdruckslos. Sie genoß diese Sache nicht, aber sie war entschlossen, sie zu ertragen.
»Richtig«, pflichtete Jim bei und nickte.
»Aber wirst du dir ein Playback der Rede ansehen, Jim?« Sie sagte: »Nur wegen Sal. Nur um sicherzugehen, daß du auch das meinst, was du sagst.«
»Sicher«, sagte er. Er hatte es ohnehin vorgehabt.
Sal Heims Stimme dröhnte aus dem Wandlautsprecher. »Zum Teufel mit deiner schwarzen Farbigenhaut, Jim!«
Lächelnd wartete Jim Briskin hinter seinem Pult. Die Arme hatte er verschränkt.
Das Kontrollicht der zentralen Kamera schaltete sich wieder ein.
2
Nach der Rede erwischte Jim Briskins Pressesekretärin Dorothy Gill ihn im Korridor. »Mr. Briskin, Sie haben mich gestern gebeten herauszufinden, ob Bruno Mini noch lebt. Das tut er, allerdings mehr schlecht als recht.« Miss Gill sah ihre Notizen durch. »Er ist jetzt Einkäufer für eine Trockenobstfirma in Sacramento, Kalifornien. Offenbar hat Mini seine Planetenbewässerungslaufbahn völlig aufgegeben, aber Ihre Rede gerade eben wird ihn wahrscheinlich auf seinen alten Weidegrund zurückbringen.«
»Vielleicht auch nicht«, sagte Briskin. »Möglicherweise gefällt Mini die Vorstellung nicht, daß ein Farbiger seine Ideen aufgreift und sie propagiert. Danke, Dorothy.«
Sal Heim, der neben ihm hereinkam, schüttelte den Kopf und sagte: »Jim, du hast einfach keinen politischen Instinkt.«
»Vielleicht hast du recht«, erwiderte Jim Briskin schulterzuckend. Er war in dieser Art von Stimmung, jetzt fühlte er sich passiv und deprimiert. Auf jeden Fall – jetzt war der Schaden angerichtet. Die Rede war auf Band und wurde bereits zum R-L-Satelliten übertragen. Seine nochmalige Durchsicht war bestenfalls oberflächlich gewesen.
»Ich habe gehört, was Dotty gesagt hat«, meinte Sal. »Diese Mini-Person wird hier auftauchen. Wir werden uns mit dem Burschen auseinandersetzen müssen, zusätzlich zu unseren anderen Problemen. Wie auch immer – was hältst du von einem Drink?«
»Okay«, stimmte Jim Briskin zu. »Was du auch vorschlägst. Geh vor.«
»Darf ich mich euch anschließen?« fragte Patricia, die neben ihrem Mann auftauchte.
»Sicher«, sagte Sal. Er legte seinen Arm um sie und drückte sie an sich. »Einen guten, großen, schlanken, voller seltsam erfrischender winziger, kleiner Bläschen, die den ganzen Drink über andauern. Genau das, was Frauen mögen.«
Als sie auf den Bürgersteig hinaustraten, sah Jim Briskin einen Demonstranten-Posten, eigentlich zwei. Sie trugen Schilder.
Haltet das
Weisse Haus weiss!
Lasst uns Amerika cleanhalten!
Die beiden Posten, beides junge Weiße, starrten ihn an, und er und Sal und Patricia starrten sie an. Niemand sprach. Mehrere Vidblatt-Kameraleute knipsten Bilder. Ihre Blitzlichter erhellten die erstarrte Szene für einen kurzen Augenblick schlaglichtartig, und dann gingen Sal und Patricia weiter – Jim Briskin folgte ihnen. Die beiden Posten fuhren fort, auf ihren kurzen Wegen hin und her zu schreiten.
»Diese Bastarde«, sagte Pat, als sie sich zu dritt in eine Nische in der Cocktailhalle auf der anderen Straßenseite des Fernsehstudios setzten.
Jim Briskin sagte: »Es ist ihr Job. Gott hat offenbar gewollt, daß sie das tun.« Es beunruhigte ihn nicht besonders. In der einen oder anderen Form war es Teil seines Lebens gewesen, so lange er sich erinnern konnte.
»Aber Schwarz hat sich damit einverstanden erklärt, Rasse und Religion aus dem Wahlkampf herauszulassen«, sagte Pat.
»Bill Schwarz hat das auch getan«, sagte Jim Briskin, »aber Verne Engel nicht. Und es ist Engel, der CLEAN leitet, nicht die SKD-Partei.«
»Ich weiß verdammt gut, daß die SKD die Gelder hinblättert, um CLEAN solvent zu halten«, murmelte Sal. »Ohne ihre Unterstützung würde ihnen innerhalb eines Tages die Luft ausgehen.«
»Ich stimme nicht mit dir überein«, sagte Briskin. »Ich denke, es wird immer eine Haßorganisation wie CLEAN geben, und es wird immer Leute geben, die sie unterstützen.« Schließlich hatte CLEAN ein Ziel: Sie wollten keinen Neger-Präsidenten haben. Und war es nicht ihr Recht, so zu empfinden? Manche Leute taten es, manche nicht – das war vollkommen normal. Und warum, dachte er,
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