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Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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fast in der Hand … und mußte sie liegenlassen, weil ihm schwindelig wurde. Er griff nach der Türklinke und zog sich daran hoch. Nach einiger Zeit versuchte er es noch mal, brachte es fertig, die Pistole vom Boden aufzunehmen, und konnte sich gerade noch aufrichten, als sein Magen rebellierte. Er mußte sich übergeben.
    Er setzte sich ans Steuer und fuhr den Wagen rückwärts von der Tür des Wachgebäudes weg. Dann öffnete er das Fenster neben sich, um frische, kalte Luft hereinzulassen, legte den Vorwärtsgang ein und steuerte einen Zickzackkurs vom Tor zum Parkplatz hinter dem Laborgebäude. Die Vorderräder prallten mehrmals von Randsteinen ab, so daß der Wagen über die Fahrbahn schlitterte, bis der gegenüberliegende Randstein ihn wieder aufhielt. Saltus hatte nicht mehr die Kraft, auf die Bremse zu treten, und das kleine Fahrzeug kam erst zum Stehen, als es gegen die Stahlbetonfront des Laborgebäudes prallte. Er wurde nach vorn gegen das Lenkrad geworfen und fiel dann in den Schnee hinaus, als die Fahrertür aufsprang. Eine Blutspur bezeichnete seinen Weg von dieser Stelle bis zu der Tür mit dem Doppelschloß.
    Diese Tür ließ sich leicht öffnen – so leicht, daß selbst sein benommener Verstand sich fragte: Habe ich beide Schlüssel ins Schloß gesteckt, bevor die Tür aufgegangen ist? Habe ich überhaupt einen Schlüssel hineingesteckt?
    Arthur Saltus fiel die Treppe hinab, weil er sich nicht auf den Beinen halten konnte.
    Er hatte die Pistole nicht mehr in der Hand, aber er wußte nicht, wo und wann er sie verloren hatte. Die Bourbonflasche war aus seiner Tasche verschwunden, aber er konnte sich nicht daran erinnern, den Bourbon ausgetrunken oder die Flasche weggeworfen zu haben. Er hatte auch die beiden Schlüssel nicht mehr.
    Jetzt lag er in dem hellen Korridor auf dem Rücken und sah zu der geschlossenen Tür oben an der Treppe hinauf. Er konnte sich nicht daran erinnern, diese Tür je geschlossen zu haben.
    Eine Stimme sagte: »Fünfzig Stunden.«
    Er wußte, daß er den Kontakt mit der Wirklichkeit verlor; er wußte, daß er zwischen kalten, schmerzhaften Perioden, in denen er bei Bewußtsein war, und dunklen Fieberphantasien hin und her schwankte. Er wollte auf dem Fußboden schlafen, er wollte sich ausstrecken, sein Gesicht an den kühlen Beton legen und das Feuer in seinem Rücken ausbrennen lassen. Katrinas kugelsichere Weste hatte ihm das Leben gerettet – gerade noch. Das Geschoß – oder mehr als nur eines? – saß in seinem Rücken, aber wenn er die Weste nicht getragen hätte, wäre es durch den Körper gegangen und hätte ihm den halben Brustkorb weggerissen. Danke, Katrina.
    Eine Stimme sagte: »Fünfzig Stunden.«
    Saltus versuchte aufzustehen, aber er fiel wieder nach vorn. Er wollte sich kniend aufrichten, aber er sackte zusammen. Er hatte nicht mehr viel Kraft.
    Eine Ewigkeit verstrich, in der er auf dem Bauch zu dem ZVF kroch.
    Arthur Saltus mühte sich eine Stunde lang damit ab, in das Fahrzeug zu klettern.
    Er litt jetzt immer häufiger an Bewußtseinsstörungen und bildete sich ein, jemand ziehe ihm die schweren Stiefel aus – jemand habe ihm die Parka ausgezogen und versuche, ihm auch die übrigen Kleidungsstücke abzustreifen. Als er endlich mit dem Kopf voran durch die offene Luke in das ZVF rutschte, hatte er sogar den Fiebertraum, jemand dort draußen habe ihm hineingeholfen.
    Eine Stimme sagte: »Drück die Querstange nach vorn.«
    Er lag in der falschen Richtung auf dem Gurtzeug und erinnerte sich daran, daß die Ingenieure das Fahrzeug erst nach fünfzig Stunden zurückholen würden. Das hatten sie auch getan, als William nicht zurückgekommen war. Etwas lag unter ihm, drückte gegen seine Rippen und machte die Schmerzen noch schlimmer. Saltus tastete danach und zog das Tonbandgerät unter sich hervor. Er schob es nach vorn zu der Querstange, aber sie war auch damit nicht zu erreichen. Die Halluzination knallte die Luke zu.
    Saltus warf das Tonbandgerät nach der Querstange.
     
    Das geschah um 2.40 Uhr am Morgen des 24. November 2000. Sein fünfzigster Geburtstag war längst vorbei.

15
     
    Brian Chaney
    Irgendein Tag nach 2000
     
    Die Schwachen, die furchtbar Schwachen,
    Die Schwachen, die selbst die Starken lähmen,
    Treten nun ihr Erbe an.
    Charles Rann Kennedy
     
    Chaney war besorgt.
    Das rote Licht erlosch. Er griff nach oben, um die Luke zu entriegeln und zu öffnen. Das grüne Blinklicht erlosch ebenfalls. Chaney setzte sich auf, so daß Kopf und

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