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Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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der unordentlich aufgehäuften Kartons und Büchsen waren nirgends Essensreste zu sehen. Kein Krümel war verschwendet worden. Und hier unten schien es keine Ratten oder Mäuse zu geben.
    Chaney wandte sich ab und trat an den Gewehrschrank. Aus den Halterungen fehlten fünf Schnellfeuergewehre und ebenso viele Pistolen. Er nahm an, daß auch die entsprechenden Munitionsmengen fehlten. Major Moresby und Saltus hatten wahrscheinlich jeder ein Gewehr und eine Pistole mitgenommen.
    Die winzigen Metallgegenstände auf der Werkbank waren die Dienstgradabzeichen, die Moresby von seiner Uniform abgemacht hatte. Saltus hatte Chaney erklärt, weshalb das an der Front zweckmäßig war. Die leeren Schachteln hatten Tonbänder, Nylonfilm und Patronen enthalten; in dem letzten Karton fand er seine kugelsichere Weste. Auf der Landkarte hatte sich eine dicke Staubschicht angesammelt. Das Funkgerät war jetzt wertlos – wenn die Batterien nicht wie durch ein Wunder intakt geblieben waren. Aber sie hatten die langen Jahre bestimmt nicht überdauert.
    Jahre: Zeit.
    Chaney nahm beide Laternen mit und ging in den Kellerraum mit dem ZVF zurück. Er durchquerte ihn und bückte sich, um die Wanduhr mit der Datumsanzeige abzulesen. Sie war stehengeblieben, als der Strom ausfiel.
    Die Uhr zeigte wenige Minuten vor Mittag oder Mitternacht. Auf dem Kalender stand: 4. März 09. Nur das Thermometer funktionierte noch. Die Außentemperatur betrug 11°C.
    Achteinhalb Jahre, nachdem Arthur Saltus hier einen katastrophalen fünfzigsten Geburtstag verbracht hatte, zehn Jahre nach Major Moresbys Tod im Kampf um die Station war der Atomreaktor, der das Laboratorium mit Strom versorgt hatte, zerstört worden. Oder die Leitungen waren durch Kurzschlüsse unbrauchbar geworden; die Transformatoren konnten durchgebrannt sein; der Kernbrennstoff konnte aufgebraucht sein; hundert verschiedene Dinge konnten daran schuld sein, daß die Energieversorgung zusammengebrochen war.
    Chaney wußte nicht, vor wie langer Zeit der Strom ausgefallen war; Chaney wußte nur, daß er irgendwann nach dem 4. März 2009 angekommen war.
    Der Strom konnte letzte Woche, letzten Monat, letztes Jahr oder an irgendeinem Tag des letzten Jahrhunderts ausgefallen sein. Chaney hatte die Ingenieure nicht nach dem genauen Datum seines Ziels gefragt, sondern einfach angenommen, sie würden ihn ein Jahr weiter als Saltus in die Zukunft schicken, damit er die Entwicklung verfolgen konnte. Diese Annahme war falsch gewesen – oder das ZVF war wieder vom beabsichtigten Kurs abgewichen. Chaney schüttelte bedauernd den Kopf, während er darüber nachdachte. Das spielte keine Rolle; das spielte wirklich keine Rolle mehr. Die unglückselige Erforschung der Zukunft war beinahe abgeschlossen – sie würde zu Ende sein, sobald er die Station ein letztes Mal besucht hatte und in die Gegenwart des Jahres 1978 zurückgekehrt war.
    Er trug die Laternen in den Schutzraum zurück.
    Dort fiel sein Blick auf das Funkgerät. Chaney holte einen versiegelten Karton Batterien an die Werkbank, riß ihn auf und steckte ein Dutzend in die dafür vorgesehene Halterung im Bodenteil des Funkgeräts. Dann schaltete er das Gerät ein und suchte die militärischen und zivilen Kanäle ab. Ohne Erfolg. Er drehte den Lautstärkeregler ganz nach rechts, aber aus dem Lautsprecher kam nicht einmal das Knacken atmosphärischer Störungen. Die Batterien waren wertlos. Chaney legte das unnütze Funkgerät weg und bereitete sich auf seine Aufgabe vor.
    Er war enttäuscht darüber, daß er diesmal keine Nachricht von Katrina vorfand.
    Chaney zog als erstes die kugelsichere Weste aus dem gelben Karton an. Arthur Saltus hatte ihm ein warnendes Beispiel gegeben, hatte ihm gezeigt, wie wertvoll dieser Schutz sein konnte: Saltus war nur mit dem Leben davongekommen, weil er eine kugelsichere Weste getragen hatte.
    Da er nicht wußte, in welcher Jahreszeit er angekommen war – er kannte nur die Außentemperatur –, zog Chaney Stiefel und eine Parka an. Er nahm ein Gewehr aus der Halterung, lud es, wie Moresby ihn gelehrt hatte, und füllte sich die Taschen mit Patronen. Die Landkarte brauchte ihn nicht zu interessieren: Die Erkundungen in Joliet und Chicago waren hastig aus dem Programm gestrichen worden, und er hatte Anweisung, sich nur innerhalb der Station umzusehen. Er sollte die Lage überprüfen und dann sofort zurückkommen. Katrina hatte ihm erklärt, der Präsident und die Regierung warteten auf seinen abschließenden Bericht,

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