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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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Mit allen Wassern gewaschener Kellner, voll auf Distanz, aber höflich.
    »Drei Kännchen Kaffee.«
    Flotter Service, gutes Teamwork. Wir nickten uns wortlos zu, Doris und ich, Experten, die automatisch in jedem Lokal zu Kritikern wurden und alles, vom ausgewischten Aschenbecher bis zur Mimik des Kellners, genau registrierten. Ruckzuck wurde aufgedeckt – Tassen, Untertassen, Milch und Zucker –, zack standen die Kännchen vor uns. Ungemein spießige Atmosphäre, okay, völlig klar, aber irgendwie saugemütlich. Der Kaffeeduft war’s ja nicht allein. Der zog mir auch bei Eddy in die Nase. Es war, ich musste es mir eingestehen, die Verbindung des Kaffees mit all den anderen Geruchspartikeln – den Resten verschiedener Polituren, von alten Damen ausgesandten Rosen- und Lavendel-Molekülen, Tabakrauch und Schokolade. Und alles zusammen ergab, wie mir schien, ein mit Trotz gefülltes, von süßlicher Melancholie umrahmtes Bekenntnis zu einer vergangenen Zeit.
    »Darf ich mich zu euch setzen?« Angenehme Stimme mit spanischem Akzent.
    Ich hob den Kopf – und blickte auf einen makellos gekleideten Mann, der so sauber wirkte, dass ich ihn für keimfrei hielt. Es war Manuel, der Kolumbianer, Kurier des Bösen, wie immer traumhaft stilbewusst, mit hauchfein aufgetragenem Parfüm.
    Wie jedes gottverdammte Mal bei fiesen Überraschungen kollabierte augenblicklich mein gesamtes Denksystem – zerdellte Gedanken, rauchende Satz-Ruinen, dazu die bekannten Begleiterscheinungen wie leichte Übelkeit, trockener Mund und feuchte Achselhöhlen. Ich hoffte zumindest meine Gesichtszüge kontrollieren zu können. »Bitte«, sagte ich, mit einladender Geste auf den freien Stuhl weisend.
    Bülent, das Unheil ahnend, verengte die Augen zu Schlitzen. Ich hatte ihm ja lang und breit von Bertis Kumpanen erzählt. Außerdem hatte er meine Erstarrung vermutlich auf Anhieb wahrgenommen.
    Manuel lächelte unverbindlich. Keine Spur von Feindschaft. Aber was hieß das schon bei einem Mann, der sich total unter Kontrolle hatte und vermutlich keimfrei war? Kleine Beruhigungspastille: In diesem Lokal schien uns keine akute Gefahr zu drohen. Doch ich musste mir eingestehen, keinen Dunst von den Vorgängen im Gehirn eines kolumbianischen Verbrechers zu haben. Immerhin funktionierte mein Hirn wieder so weit, dass ich zu klaren, formal verständlichen Sätzen fähig war, deren Inhalt aber sehr zu wünschen übrig ließ: »Schön, dich zu sehen, Manuel. Siehst blendend aus. Aber weißt du ja selbst. Haben uns ja ’ne Ewigkeit nicht … Was heißt Ewigkeit? Ein großes Wort, so leicht dahingesagt. Wir kleinen Kreaturen mit unserer lächerlich kurzen Lebenszeit, Sklaven unserer Begierden – ach ja, so traurig, das alles. Wie spät ist es eigentlich? Ist auch egal. Wir wollen jedenfalls keinen Ärger, Manuel, verstehst du mich?«
    Bülent und Doris blickten mich ungnädig an. Verständlicherweise. Mein Geschwätz konnte ja nur als verblümt angedeutete Unterwerfungsbereitschaft aufgefasst werden. Wie ein Blitz durchzuckte mich die Ahnung, rettungslos mit diesen dunklen Kreisen verwoben zu sein. Vor mir saß der kultivierte, perfekt gekleidete, tadellos frisierte, manikürte und rasierte Abgesandte des Teufels. Kein Haar stach störend aus den Nasenlöchern, auf dem Revers nicht die Spur von Schuppen.
    Manuel ließ sich einen Cognac bringen, roch genießerisch daran und trank ein Schlückchen. Obwohl ich mir jegliche Bewunderung für Typen dieser Art streng verboten hatte, konnte ich mich nicht dagegen wehren. Kultiviert, cool, ohne Schuppen auf dem Kragen, mit sorgsam gestutzten Nasenhaaren, und wenn’s drauf ankam hart wie Stahl – meine Idealvorstellung in träumerischen Momenten. Seine Augen, geschult und, ganz nebenbei erwähnt, dunkel und schön, sagten nicht viel über ihn – weder Gutes noch Böses –, dennoch strahlten sie etwas aus, kraftvoll und intensiv, und zwar einen Ausdruck innerer Ruhe, die mir fremd war, die ich für erstrebenswert hielt, aber rätselhaft fand.
    Inzwischen hing ein Zigarillo locker zwischen seinen Lippen. Schweineteures Feuerzeug. Das sah ich sofort. Er paffte dreimal, bis der Zigarillo brannte, nahm einen Zug, blies, den Kopf hebend, einen Rauch-Jet in Richtung Decke, lehnte sich entspannt zurück, eindeutig mit sich zufrieden, zeigte lächelnd seine kokainweißen Zähne und sagte, beruhigend beide Hände hebend: »Mach dir keine Sorgen, Hans. Alles ist gut.«
    »Was soll das heißen?« Fast hätte ich mich

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