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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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gesunden Menschenverstand geschwankt. Letzterer hatte am Ende gesiegt. Schuldbewusst hatte Myran mit den Augen geklappert und Klawdi das Büro in tadellosem Zustand übergeben.
    Etwa eine Stunde hatte Starsh in Gesellschaft eines hervorragenden Armeefunkgeräts zugebracht. Im Inquisitionspalast herrschte gähnende Leere, dafür hatte sich der Äther, der lange geschwiegen hatte, wieder belebt. Sämtliche Statthalter und Bürgermeister hatten sich ans Volk gewandt und sich in ihren Ansprachen jeweils zum Alleinherrscher aufgeschwungen. Völlig gelassen hatten sich die Posten der Tschugeister untereinander verständigt, in regelmäßigen Abständen hatte das Militär Rufzeichen gesandt, in der ganzen Welt hatten Amateurfunker ihren Unfug getrieben und kleine private Radiostationen lahm gelegt. Aus den aufgeregten Meldungen Letzterer hatte Klawdi erfahren, dass halb Odnyza überschwemmt und in Rydna ein gigantischer Tunnel eingestürzt war, den man vor hundert Jahren unter den Bergen angelegt hatte, während sich in Altyza ein sogenannter Kreuzzug der Inquisition unter Leitung des ehemaligen Kurators und gegenwärtigen Großinquisitors Foma gebildet hatte.
    Jetzt, in der Zelle, fiel ihm wieder ein, mit welch hintergründigem Grinsen er diese Neuigkeit quittiert hatte. Allein wegen dieser Nachricht lohnte es sich schon, das Ganze hier zu überleben, damit er Foma gegenübertreten und von ihm mit schrecklicher Stimme Rede und Antwort verlangen konnte.
    Irgendwann hatte er das Funkgerät abgeschaltet, sein Jackett aufgeknöpft und aus der Innentasche ein flaches, unscheinbares Kästchen mit einem schmalen grauen Display herausgeholt. Zwei schwarze Knöpfe zur Eingabe der Koordinaten. Ein großer roter Knopf zur Übertragung des Befehls an die Zentrale.
    Ob die Hexen wohl von der Existenz von Raketensilos wussten? Er, Klawdi, war in der sicheren Überzeugung aufgewachsen, diese wären das letzte Bollwerk der Zivilisation, das standhielt, selbst wenn alles andere im Weltenmeer versank. Oder bei einem Meteoritenaufprall ausbrannte.
    Klawdi hatte das Kästchen genau betrachtet. In einer Ecke des Displays hatte ein Quadrat pulsiert, was bedeutete, dass der Kontakt zur Zentrale hergestellt und diese bereit war, Befehle zu empfangen. Und zwar jeden Befehl, wie der Herzog erklärt hatte, denn die Kriegsmaschinerie wiege per definitionem nicht ab.
    Klawdi war erschaudert. Es würde ihm nicht behagen, dieses Ding mit sich herumzuschleppen, doch das Gewicht des Kästchens in seiner Innentasche würde, wenn schon nicht seine Gewissheit, so doch wenigstens seine Entschlossenheit festigen. Wie ein kleiner Junge fühlte er sich, der irgendeinen Unsinn ausheckt und sich denkt: Wenn mich jemand erwischt, schieß ich mich einfach tot – dann kann mich keiner mehr bestrafen.
    Seufzend hatte er den silbernen Dolch von der Wand genommen und ihn neben das dunkle Kästchen auf den Tisch gelegt. Mit beiden Händen auf den Tisch gestützt, war er lange sitzen geblieben, um vor sich hin zu starren.
    Das Gesicht des Herzogs war ihm eingefallen, das dieser gemacht hatte, als er ihm den Atomkoffer übergeben hatte. Achselzuckend hatte sich Klawdi daraufhin das runde Gesicht Fomas aus Altyza vorgestellt, genau in dem Augenblick, da der Kurator die Nachricht von der Verhaftung und Bestrafung einer »mutierten, destruktiven Hexe, der sogenannten Mutterhexe«, erhalten würde.
    Wie konntest du nur?!, hatte Klawdi dem Schicksal tadelnd vorgehalten.
    Wenn dieser Albtraum bloß endete! Wenn sich das Meer in Odnyza zurückziehen, die Weinstöcke in Egre wieder erblühen würden. Das Opernhaus neu aufgebaut würde. Wenn dieser Albtraum doch bloß endete. Wenn er bloß die Augen zu öffnen brauchte – und nichts davon wäre geschehen, der grauenvolle Traum hätte sich verflüchtigt und in Wyshna das Leben wieder Einzug gehalten. Wyshna – und erst da hatte er verstanden, wie sehr er diese Stadt liebte, diese verfluchte und vermüllte Stadt, die so sehr an einen geschändeten Friedhof erinnerte. Das Wichtigste verstand er eben immer zu spät.
    Warum hatte er sie nicht erkannt?!
    Durch alle Stockwerke hindurch hatte er sie jetzt wittern können. Durch den Beton hindurch. Er hatte sie wittern können, sie, die tief unten im Keller saß. Und ihn hatte gefröstelt.
    Sollte wirklich alles so einfach sein?! Sollte da unten, in dem steinernen Verlies, wirklich die taube Mutterhexe sitzen?
    Noch immer glaubte er es nicht. Er hatte die Klinge vom Tisch genommen und

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