Das Juwel der Elben
Kraft, die in ihm und Sarwen so ungeheuer stark war. Stärker sogar, als es bei ihrem Vater Prinz Magolas oder ihrem Großvater König Keandir der Fall gewesen war.
Das war auch einer der Gründe, weshalb die Zwillinge vielen Elben unheimlich waren. Ein wenig magische Begabung hatten so gut wie alle Elben. Manche wurden zu Magiern oder Schamanen ausgebildet, um ihr Talent zu entfalten. Aber schon seit vielen Zeitaltern war die Magie der Elben immer schwächer geworden. Niemand kannte den Grund dafür. Nur Daron und Sarwen waren eine Ausnahme. Ihre Kräfte erinnerten an die Macht, die in der alten Zeit die Magier und Schamanen gehabt hatten. Und das, obwohl die Elbenkinder streng genommen nur Halbelben waren, denn ihre Mutter war einen Menschenfrau gewesen. Rarax faltete die Flügel an seinen Seiten zusammen, und Daron kletterte auf den Rücken des Riesenfledertiers.
„Komm, Sarwen!“
„Ja, gleich!“
Wenig später saßen sie beide auf Rarax' Rücken und hielten sich an dem langen Fell fest. Das Riesenfledertier entfaltete wieder seine Flügel. Dann ließ es sich auf Daron geistigen Befehl hin in die Tiefe stürzen und vom Wind tragen.
„Auf, zur Burg von Elbenhaven!“ , sandte Daron einen Gedankenbefehl an Rarax. Er spürte nur noch einen ganz schwachen Widerstand. Daron konnte die unsichtbareren magischen Zügel, mit denen er den Geist des Fledertiers lenkte, etwas lockern. Während in Sarwens Augen schon lange das Weiße wieder zu sehen war, wich nun auch auch aus Darons Augen die Dunkelheit.
Sarwen blickte hinab und sah einen Zug mit bepackten Pferden aus Elbenzucht, die sich die steilen Wege hinauf zum Elbenturm quälten. Ganz oben auf dem turmförmigen Felsen befand sich die Werkstatt des berühmten elbischen Waffenmeisters und Erfinders Thamandor. Zu Anfang war diese Werkstatt in der Stadt Elbenhaven gewesen, aber nachdem er bei einem seiner Experimente beinahe die ganze Stadt Elbenhaven in Schutt und Asche gelegt hätte, hatten die Bürger darauf bestanden, dass die Werkstatt an einen anderen Ort verlegt wurde. Der Gipfel des Elbenturms erschien dafür gerade richtig. Dort würde selbst bei einer größeren Explosion die Stadt nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.
„Ah, ist das schön hier oben!“, stieß Sarwen hervor und schaute erst in die Tiefe und dann auf das Meer hinaus, wo die Segel einiger Schiffe zu sehen waren. Zumeist waren sie an ihrer schlanken, länglichen Form selbst aus weiter Entfernung als Elbenschiffe zu erkennen. Aber auch Schiffe aus den Ländern der Menschen fanden seit dem Ende des großen Krieges den Weg über das Meer, um Handel mit den Kaufleuten von Elbenhaven zu treiben.
„Man müsste mal eine richtig weite Reise mit Rarax unternehmen“, meinte Daron. „Stell dir vor, wie weit man mit dem Riesenfledertier fliegen könnte. Bis in die fernsten Herzogtümer des Reiches. Nach Nordbergen oder Meerland. Oder in die Länder der Menschen.“
„Ach, Daron …
„Oder in das Waldreich, wo die Zentauren leben! Oder nach Zylopien, wo die friedlichen Riesen wohnen …“ Daron geriet richtig ins Schwärmen.
„Dazu kann man sich noch viel zu schlecht auf Rarax verlassen.“
„Ich weiß. Aber mit der Zeit wird das anders werden, und er wird uns genauso treu folgen, wie es ein Elbenpferd tun würde.“ Oft hatte Daron gelauscht, wenn an der Tafel des Elbenkönigs die Kapitäne der Elbenflotte über ihre weiten Reisen sprachen. Oder wenn Herzog Isidorn von Nordbergen zu Besuch kam oder Lirandil der Fährtensucher – einer der treuesten Gefolgsleute des Elbenkönigs – wieder mal auf der Burg von Elbenhaven weilte und von seinen weiten Reisen durch die Länder der Menschen, der Halblinge und der Blaulinge berichtete.
„Vielleicht könnte man sogar mit Rarax bis nach Athranor fliegen!“, rief Daron, dessen Fantasie sich immer weitere, großartigere Reisen ausmalte.
Athranor – das war die alte Heimat der Elben gewesen. Von dort waren sie mit ihren Schiffen aufgebrochen und schließlich nach unvorstellbar langer Zeit an der Küste des Zwischenlandes angelangt, wo sie das Elbenreich Elbiana gegründet hatten.
„Daron, du bist ein Träumer!“, meinte Sarwen. „Die Alte Heimat Athranor ist so unvorstellbar weit entfernt …“
„Aber du siehst doch, wie schnell so ein Riesenfledertier fliegen kann!“
Daron gab Rarax einen geistigen Befehl, damit er schneller flog. Und Rarax gehorchte diesmal prompt. Er beschleunigte plötzlich, sodass den beiden Elbenkindern der
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