Das Juwel der Elben
das Elbenreich, über eine fliegende Streitmacht zu verfügen? Und all die Händler, die ihre Waren an Orte transportieren müssen, die nicht an der Küste oder einem Fluss liegen, sodass keine Schiffe dorthin gelangen können – wäre es für sie nicht auch ein enormer Vorteil, nicht auf Pferdewagen angewiesen zu sein?“
„Man bräuchte sehr viele und sehr starke Magier, um diese Tiere zu lenken“, gab Lirandil zu bedenken.
„Aber dafür bräuchte man keine Magier mehr, um Straßen und Wege auszubessern, denn über kurz oder lang würde doch jeder fliegen, statt mühsam über Land zu reisen“, entgegnete Daron.
„Ein interessanter Gedanke“, antwortete der Fährtensucher. „Und wenn der König eines Tages einmal Daron heißt, wird er vielleicht auch in die Tat umgesetzt.“ Er tätschelte das Riesenfledertier, dass daraufhin ein leises Brummen hören ließ, der an den Klang eines Hornissenschwarms erinnerte. „Aber dazu bräuchte die Elbenheit mehr Magier – und stärkere.“
Daron seufzte. „Euer Einwand klingt vernünftig …“
„Wenn ihr gleich fliegt, dann seid vorsichtig“, mahnte Lirandil. „Ihr beide seid auf einem guten Weg mit diesem Riesenfledertier, aber es ist noch nicht völlig gezähmt. Daran solltet ihr immer denken, wenn ihr euch damit über die Berge von Hoch-Elbiana tragen lasst.“
„Wir passen schon auf“, versprach Sarwen.
Wenig später saßen die beiden Elbenkinder auf Rarax' Rücken, und die Burg unter ihnen wurde immer kleiner. Das Riesenfledertier ließ sich mühelos lenken und reagierte auf jeden Gedankenbefehl.
„Ich glaube, so etwas wie gestern wird uns heute nicht passieren“, meinte Daron.
„Ich hoffe, du hast recht“, gab Sarwen zurück, die der Sache noch nicht so richtig traute.
Rarax flog einen weiten Bogen, der sie über die schroffen Felsmassive mit dem Elbenturm führte, den er dann zweimal umkreiste. Immer höher ließen die beiden Elbenkinder das Riesenfledertier steigen. Es wurde eisig kalt, aber Elben waren weder gegen Kälte noch gegen Wärme sehr empfindlich, und so machte ihnen das nichts aus.
„Ich frage mich, wie hoch Rarax wohl zu steigen vermag“, sagte Daron. „Und wie weit er fliegen kann, ohne zwischendurch einmal zu landen.“
„Das sollten wir nicht heute ausprobieren“, riet Sarwen.
„Warum nicht?“
„Seien wir froh, dass Rarax uns im Augenblick ganz gut gehorcht. Und wenn er sich auch in Zukunft so gut lenken lässt, können wir ja weitersehen.“
Daron blickte zu den schneebedeckten Gipfeln hinüber. „Aber zumindest über die Berge könnten wir fliegen!“ , erreichte sein Gedanke Sarwen.
Sie atmete tief durch, während der Flugwind ihr die Haare zerzauste.
„Meinetwegen“ , lautete ihre Antwort.
Nebel wallte um die hohen Gipfel der Gebirgszüge, die sich durch die Provinz Hoch-Elbiana zogen. Daron und Sarwen ließen Rarax so weit emporsteigen, dass sie schließlich über der Wolkendecke schwebten, aus der die einzelnen Gipfel herausragten.
Rarax flog schneller, je höher er stieg. Daron und Sarwen blickten immer wieder in die Tiefe, aber trotz ihrer scharfen Elbenaugen konnten sie dort nichts mehr erkennen außer einer weißen Wolkendecke.
„Lass uns umdrehen“, meinte Sarwen.
„Aber warum? Wir fliegen doch gerade so schön?“, gab Daron zurück.
„Ob Rarax noch höher kann? Vielleicht bis zum Mond oder bis zu den Sternen?“
Rarax beschleunigte noch weiter, und die Haare wehten den beiden Elbenkindern nur so um die spitzen Ohren.
„Lass ihn zurückfliegen! Bitte! Nur damit wir sehen, dass er uns noch gehorcht!“ , wandte sich Sarwen schließlich in Gedanken an ihren Bruder.
„Gut“, antwortete dieser. „ Dann mach du das! Du wirst sehen, es gibt keine Schwierigkeiten.“
Sarwen übernahm daraufhin die geistige Lenkung des
Riesenfledertiers. Doch Rarax machte nicht die geringsten Anstalten, ihrem Befehl Folge zu leisten und die Richtung zu ändern.
„Na wirst du wohl!“ , sandte Sarwen einen ärgerlichen Gedanken. Aber Rarax stellte sich geistig taub und reagierte nicht. Stattdessen beschleunigte das Riesenfledertier seinen Flug noch und stieg auch noch höher. „Rarax!“
Ihre gesamte magische Kraft legte Sarwen in diesen Gedanken. Schwärze füllte ihre Augen.
„Er gehorcht einfach nicht!“, sandte sie einen Gedanken an Daron, der inzwischen schon gemerkt hatte, dass etwas nicht stimmte. Auch seine Augen wurden inzwischen vollkommen schwarz. Er murmelte eine magische Formel, die
Weitere Kostenlose Bücher