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Das kalte Gift der Rache

Das kalte Gift der Rache

Titel: Das kalte Gift der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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zuckte jedoch zusammen, als sie erschrocken aufschrien und zurückwichen. Dann sah ich, dass Simon Classons nackter Körper teilweise in eine weiße, gazeähnliche Substanz gehüllt war, die wie Engelhaar aussah, das Zeug, womit man Weihnachtsbäume dekorierte.
    »Was zum Teufel …?«, begann der Doktor und sprang dann selbst zurück, als fünf oder sechs große Spinnen aus dem Inneren des Schlafsacks krabbelten. Chris Dale kreischte hysterisch, als ein besonders großes braunes Exemplar an ihrem Arm hochkrabbeln wollte und sie es herunter auf den Boden schlug. Der Doktor trat das Tier mit dem Fuß tot. Da wurde mir in einem grauenhaften Moment klar, dass Simon Classons Körper nicht von Engelhaar umhüllt war, sondern von Spinnenseide, so weich und weiß wie Gaze; die im Schlafsack mitgefangenen Spinnen hatten einen klebrigen Kokon um ihr Opfer gesponnen.
    Die Notaufnahme geriet aus den Fugen, als noch mehr Spinnen entflohen und zu Boden fielen. Die Ärzte und Schwestern versuchten, so viele zu töten, wie sie nur konnten. Bud stand hinter mir und beobachtete das Geschehen angewidert und stumm, bis eine große Spinne auf ihn zurannte. Er zerquetschte sie unter seinem Stiefel, aber mir lief ein Schauder des Entsetzens bei der Vorstellung über die Haut, was Classon durchgemacht haben musste, als man ihn bei lebendigem Leib mit Dutzenden giftiger Spinnen in einen Schlafsack gesteckt hatte.
    Nachdem alle Spinnen tot waren, kümmerten sich die erschütterten Ärzte und Schwestern wieder um den Patienten. Mittlerweile war auch Shaggy mit seiner Kamera eingetroffen und filmte das grausige Szenario. Er ging um Simon Classon herum und hielt das weiße Zeug an seinem Körper filmisch fest. Einige Schwestern weinten, andere machten sich daran, das klebrige Gewebe mit flinker, wenn auch zitternder Hand zu durchschneiden, um den Mann möglichst schnell von seinen Qualen zu erlösen.
    Als sämtliche Spinnweben entfernt und mit Alkohol von der Haut gelöst waren, wurden die klaffenden Wunden an Classons Beinen sichtbar. Ich wusste sofort, wo sie herrührten. Durch den Biss der Braunen Einsiedlerspinne wird ein Gift injiziert, das die Haut abfaulen lässt, wie eine Art fleischfressender Virus, sodass tiefe Löcher in der Haut und im Muskelgewebe entstehen. Ich zählte sechs offene, nässende Wunden an seinen Beinen, eine grausig tiefe auf seinem Bauch und einige weitere auf der Brust. Ich schloss die Augen und zwang mich, nicht wegzurennen. Als ich zu Bud sah, war sein Gesicht so blass und blutleer, dass ich schon glaubte, er fiele in Ohnmacht.
    Dr. Bingham dagegen hatte den ersten Schock überwunden und Classon an einen Herzmonitor angeschlossen. Ich verfolgte, die grüne, flach über den Bildschirm schimmernde Linie, während die Schwestern noch immer versuchten, letzte Reste Spinnwebreste von Simons nackter Haut zu entfernen.
    Ich ertrug den Anblick nicht länger und ging zu Buckeye hinüber, der den auf dem Boden liegenden Daunenschlafsack inspizierte. Für mich war es bei all meiner langjährigen Erfahrung als Mordermittlerin unvorstellbar, wie jemand einen anderen Menschen derart grausigen Qualen aussetzen konnte.
    Buckeye sah mich an. »Einen schlimmeren Tod kann ich mir nicht vorstellen. Seine Wunden sind so tief, da muss er schon sehr, sehr lange mit den Spinnen in diesem Schlafsack gefangen gewesen sein.«
    Bud grummelte: »O mein Gott, dieser Albtraum wird mich ewig verfolgen.« Er war noch immer kreidebleich.
    Buckeye sagte: »Der Täter hat batteriebetriebene Heizsocken in den Schlafsack gepackt. Gerade genug Wärme, damit die Spinnen am Leben bleiben und beißen. Meine Güte, sie müssen tagelang auf ihm herumgekrabbelt sein.«
    »Drei Tage. Wir nehmen an, er wurde vor drei Tagen in seinem Haus überfallen.«
    Ich warf einen Blick zurück auf den Tisch, wo das Notarztteam das silberne Isolierband durchtrennte, mit dem Classons Hände gefesselt waren. Ich sah auch den Abdruck des von mir entfernten Bands auf seinem Mund, das seine Angst- und Schmerzensschreie unterdrückte.
    Ich sagte: »Wie kann ein Mensch nur dazu fähig sein.«
    Es antwortete keiner, denn Simon Classons malträtierter Körper beschloss in dem Moment, den Kampf aufzugeben. Er starb, und der unablässige schrille Summton der Apparatur ließ das Notarztteam hektisch agieren. Sie holten den Defibrillator, legten die Elektroden an und begannen mit den Elektroschocks. Die EKG-Linie blieb flach. Sie versuchten es noch einmal, dann noch zweimal, ehe der

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