Das kalte Gift der Rache
und kurzen schwarzen Röckchen. Kann sein, dass ich ihn nie wiederseh.«
»Natürlich siehst du ihn wieder. In meinen Augen ist der doch verknallt bis über beide Ohren.« Er grinste, während ich die ein Meter achtzig hohe Waldkiefer in die Fensternische schleifte, in der wir seinen Baum immer aufstellten. Der Ständer war schon an Ort und Stelle. »Und, Claire? Wie gefällt dir die unerwartete Komplettrenovierung?«
»Was meinst du?« Ich mühte mich mit dem Baum ab, bis er stand, packte ihn dann im Halbnelsongriff und hieb ihn in den roten Ständer. »Ich find’s eigentlich spitze, nur wird mir Black für meinen Geschmack ein bisschen zu besitzergreifend.«
»Davon kriegt der ’n Kick. Und ich hab schon befürchtet, du machst mich zur Schnecke, weil ich ihn einfach so schalten und walten ließ.«
»Black schaltet und waltet, auch ohne zu fragen.«
»Das stimmt. Aber du musst zugeben, ist doch eigentlich toll, dass er sich so viel Mühe gibt. Übrigens, das Haus gehört jetzt dir. Letzte Woche hatte ich einen Notar hier und hab’s überschrieben.«
Ich drehte mich um, geschockt. »Du hast was gemacht?«
»Du hast richtig gehört. Die Hütte gehört dir. Ohne Einschränkung.«
»Harve, das kann ich nicht annehmen. Das Haus ist seit mehr als fünfzig Jahren im Besitz deiner Familie.«
»Meine Familie bist jetzt du. Ich will, dass es dir gehört. Sieh es als ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk. Sei mal nett, nur dieses eine Mal.«
Himmel! In was für eine Aschenputtelgeschichte war ich denn da geraten. Man stelle sich vor, was Santa Claus alles in meinem neuen Kamin versenken würde.
Harve grinste wie George Hamilton in Dancing with the Stars.
»Mir ist nicht wohl dabei, Harve.«
»Ich will nicht, dass Black den großen Macker spielt und mich dumm dastehen lässt. Lass mich doch auch mal was für dich tun.«
»Gut, in Ordnung, danke. Ich wollte, ich hätte so was Großes wie ein Haus, um es dir zu schenken.«
»Du gibst mir so viel.«
So ernst ging es bei uns normalerweise nicht zu, und wir wurden beide so verlegen, dass wir wegsahen, bis Harve vorschlug: »Wie wär’s mit hausgemachtem Gulasch und mexikanischem Maisbrot? Steht dampfend heiß auf dem Herd.«
Mein Magen hüpfte vor Freude. »Dem kann ich nicht widerstehen, Harve.«
Das Essen war hervorragend, und während wir aßen, unterhielten wir uns über den Fall Classon. Ich vertraute Harve blind, und sein kriminalistisches Gespür war Legende.
Er sagte: »Interessant, dass er sein Opfer mit Spinnen getötet hat. Ist doch eher selten.«
»Ja, und es ist dermaßen grauslich.«
»Er muss genau wissen, wie man sie fängt und handhabt, ohne gebissen zu werden.«
»Buck sagt, Braune Einsiedlerspinnen kämen auch in Missouri vor. Hast du hier schon viele gesehen?«
»O doch. Meine Tante wurde von einer gebissen, als ich klein war. Mir wird noch immer ganz anders, wenn ich an das Loch in ihrem Bein denke. Mann, das vergess ich nie.«
»Ist sie daran gestorben?«
»Nein, aber die Stelle an der Wade mit dem zerstörten Gewebe war fürchterlich. Letztlich waren vier Hauttransplantationen erforderlich.« Er trank einen Schluck Kaffee und schüttelte dabei den Kopf. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, was in ihm vorging. Immerhin hatte ich Classons Leiche gesehen. »Soll ich mal sehen, was sich über einheimische Spinnenarten so in Erfahrung bringen lässt?«
Harve arbeitete als Webdesigner und betrieb allerlei Nachforschungen. Er war ein Genie im Aufspüren von Fakten, und ich nahm sein Angebot mehr als gern an. »Im Ernst? Danke. Bei mir zu Hause habe ich die allerneueste Technik, dank Black, nur leider wenig Zeit. Die Vernehmungen draußen an dieser verdammten Akademie sind noch immer nicht abgeschlossen.«
»Übrigens, ich hab im Lauf der Jahre eine Menge Einsiedler-spinnen und Schwarze Witwen in deiner Hütte gesehen. Pass also auf, wo du hintrittst.«
»Na toll. Da werde ich ja in Zukunft gut schlafen.«
»Vielleicht bekommst du ja zu Weihnachten einen Besuch vom Entweser.«
Harve lächelte, aber ich konnte ihm darin nicht folgen. Nichts an diesem Fall war auch nur ansatzweise komisch, vor allem die Art und Weise, wie Simon zu Tode gekommen war. Ich hatte nie zuvor Angst vor Spinnen gehabt, das hatte ich Bud überlassen, aber ich hatte auch noch nie zuvor persönlich und aus nächster Nähe gesehen, was sie anrichten können. Ich zitterte unwillkürlich und bemerkte nicht ohne Besorgnis, dass ich Angst hatte. Und zwar richtig. Die sollte
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