Das Karussell der Spitzbuben
einem überholenden Pkw befand.
Obwohl dieser Tip jeden Polizisten Belgiens hätte vom Stuhl katapultieren müssen, blieb Inspektor van Helder reserviert und gelassen — wenigstens nach außen.
Er mißtraute dieser Meldung!
Warum sollte sich einer der meistgesuchten Schmuck-und Juwelendiebe Europas ausgerechnet nach Ostende begeben. Warum? Wahrscheinlich handelte es sich wieder um eine der zahlreichen falschen Spuren, die Jocco für viel Geld auslegen ließ, seitdem das Netz, das INTERPOL um ihn spannte, immer engmaschiger wurde.
In sieben Ländern waren hohe Belohnungen auf seine Ergreifung ausgesetzt. Insgesamt über zehntausend englische Pfund. Dagegen kamen auf sein Konto in den letzten drei Jahren mindestens fünfzig Raubzüge. Und da Jocco ein Einzelgänger war, der sein Äußeres wie ein Chamäleon zu verändern verstand, war die Aufgabe für die Polizei alles andere als leicht.
Seinen letzten aufsehenerregenden Coup landete er bei einem der größten Antwerpener Schmuckhändler, den er in der Maske eines Kapuzinermönches aufsuchte. Verlegenheit vortäuschend, wartete er bescheiden im Hintergrund, bis ein Teil der gerade zahlreichen Kundschaft die eleganten Verkaufsräume verlassen hatte.
Was dann geschah, war ein so gespenstisches Schauspiel, daß es wohl allen Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben würde. Ganz plötzlich hatte der Mönch eine Gasmaske vor dem Gesicht, das nach wie vor von der Kapuze eingerahmt war. Blitzschnell warf er dann sieben mit Flüssigkeit gefüllte Glaskugeln in die verschiedenen Räume, und innerhalb einer Viertelminute sanken Verkaufspersonal und Kundschaft in einen narkoseähnlichen Schlaf.
Der Mönch verschloß die beiden Geschäftstüren und begann die schönsten und wertvollsten Steine und Schmuckstücke einzupacken. Das einzige, was die Polizei später am Tatort außer den Betroffenen vorfand, war die sauber zusammengelegte Kutte eines Kapuzinermönches.
An all das dachte jetzt auch Inspektor van Helder. Trotzdem hütete er sich davor, übereilte Schlüsse aus der Mitteilung des V-Mannes zu ziehen.
Doch dann trat Punkt 10 Uhr das zweite Ereignis ein. Diesmal schien van Helder förmlich elektrisiert, denn nun bekam auch Ereignis Nr. 1 plötzlich Farbe, Gewicht und Bedeutung.
Dieses Ereignis Nr. 2 war ein Fernschreiben direkt aus der INTERPOL-Zentrale in Paris. Es lautete:
der in verdacht der großhehlerei stehende griechische Staatsangehörige jemje zachnaros verließ mit der gecharterten dschunke su lin fu in der nacht zum 28. des monats den hafen ramsgate/england. lief in südöstlicher richtung aus. zu besonderer Wachsamkeit werden alle dienststellen im nordwestlichen küstenbereich von frankreich, belgien, niederlande aufgefordert.
„Dann st-stimmt das also mit Barnecelli!“ verschluckte sich Tony Himst. Van Helder nickte geistesabwesend. Minutenlang hörte man nur das Ticken des alten Regulators im Zimmer. Dann gab der Inspektor seine Instruktionen:
„Oberflächlich gesehen scheint das Eintreffen der Dschunke in direktem Zusammenhang mit dem Auftauchen von Jocco Barnecelli zu stehen. Hier ein Hehler — dort ein Dieb... Aber laut Fernschreiben steht Zachnaros nur ,in Verdacht’. Man hat ihm also noch nichts nachweisen können. Es wäre also durchaus möglich, daß er wirklich nur eine Spazierfahrt macht. Also, Tony, stellen Sie fest, von wem er die Dschunke gechartert hat, wieviel Mann Besatzung sie hat und wie lange sie hier liegenbleiben will. Ich werde inzwischen Vorsorge treffen, daß jede Maus, die von oder an Bord geht, ständig zwei Augen im Rücken hat.“
Knappe zwei Stunden später saßen sich die Beamten wieder gegenüber, und Tony Himst begann seinen Bericht: „Also, Chef, ich habe eine Menge herausgefunden!“
„Schießen Sie los!“
„Zunächst die Dschunke: Ihr Heimathafen ist Ramsgate. Ebenfalls dort wohnhaft ist der Eigner der Su Lin Fu. Sein Name: Sir Keith Foreman. Siebzig Jahre alt. Seines Zeichens Schriftsteller und Amateurarchäologe. Nach Auskunft eines gewissen Sergeant McLanly von der Polizei in Ramsgate hat der alte Foreman einen ausgeprägten Chinatick. Nicht nur Haus und Garten sind chinesisch angelegt, er kleidet sich auch so. Und wenn er Einkäufe in Ramsgate zu tätigen hat, läßt er sich von einem bärenstarken Chinesen mit einer Rikscha durch die Stadt ziehen. Die alte Dschunke hat er sich für viel Geld per Decksladung aus Hongkong kommen lassen. Fünf Mann gehören zur Stammbesatzung. Ein Schotte, ein
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