Das Karussell der Spitzbuben
Chinese, ein Norweger und zwei Iren.“
Inspektor van Helder hatte aufmerksam zugehört und sich einige Notizen gemacht. „Man sollte diesen Mister Foreman anrufen
„Habe ich getan, Chef!“ rief Himst. „Der alte Herr war höchstpersönlich am Apparat. Und zwar gab er an, die Dschunke für eine Woche an Mister Zachnaros vermietet zu haben. Und das entgegen seiner sonstigen Gewohnheit. Wissen Sie, warum, Chef?“ Noch bevor van Helder antworten konnte, verriet Himst: „Weil Zachnaros sich als exzellenter Kenner chinesischer Kunst ausgab.“
„Mit anderen Worten, er hat den alten Mann regelrecht eingewickelt... Über die Höhe der Dschunkenmiete konnten Sie nichts erfahren?“
„Nein
„Nun, lassen wir uns überraschen, was die Beschattung der Leute einbringt...“
Drei Tage lag die Dschunke bereits im Hafen, ohne daß sich etwas Verdächtiges tat.
Vier Seeleute, die zur ständigen Besatzung gehörten, verließen an jedem Nachmittag das Boot, um sich zum Amüsement zu begeben. Wenn sie zurückkehrten, taten sie es meist schwankend und singend-doch nie unbeobachtet. Jeder ihrer Schritte wurde überwacht. Sie gaben sozusagen keinen Ton von sich, den nicht mindestens ein Polizistenohr mithörte. Doch es war nichts Aufschlußreiches dabei. Sie waren mit ihrem Job zufrieden, weil er ihnen für wenig Arbeit gutes Geld brachte. Geizig war Sir Keith jedenfalls nicht. Sie direkt nach Zachnaros auszufragen, hielt Inspektor van Helder für zu riskant. Hatte der Grieche wirklich etwas vor, so wäre er dadurch gewarnt.
Doch es tat sich nichts!
Ein Tagesablauf auf der Dschunke glich dem anderen. Kein Fremder kam. Weder am Tag noch in der Nacht... Jeden Morgen gegen 9 Uhr erschien ein Mann, auf den die Beschreibung Zachnaros’ paßte, gähnte, streckte sich und ging, zwei bis drei Zigaretten rauchend, gemächlich an Bord auf und ab. Anschließend verschwand er wieder im Inneren.
Zwei Stunden später tauchte dann ein untersetzter Chinese auf. Er nahm ein Fahrrad, das am Anfang vom Vorderschiff festgezurrt war, und verließ die Dschunke zum Einkäufen.
Es war immer derselbe Weg, den er dabei zurücklegte. Und es waren auch dieselben Geschäfte, die er nacheinander besuchte: eine Bäckerei, eine Gewürzgroßhandlung, einen Fleischer, ein Geschäft für Molkereiprodukte, ein chinesisches Restaurant und einen Kiosk mit Zeitungen und Souvenirs. Nirgends blieb er lange. Und wenn er nach jedem Einkauf das Fahrrad wieder bestieg, tat er es mit einer Miene, als habe er soeben das Geschäft seines Lebens abgewickelt.
Van Helder kannte diese Beobachtungen auswendig. So war es am 29. gewesen, so war es auch am 30. und 31.
Auf was wartete Zachnaros?
Auf Jocco Barnecelli? Wenn ja, wo blieb Barnecelli dann? Jener Hinweis vom 29. war nach wie vor die einzige Information, von der sich Barnecellis Anwesenheit in Ostende ableiten ließ. Und Inspektor van Helder fragte sich manchmal beklommen, ob der Aufwand im richtigen Verhältnis zu einer unbewiesenen Vermutung und einer Warnung von INTERPOL stand. Schließlich machten zusammen mit den ,ausgeliehenen’ Beamten aus Gent und Brügge inzwischen über sechzig Beamte rund um die Uhr Dienst in Sachen Barnecelli.
Dann kam die Nacht zum Ersten.
Es war gegen 2 Uhr morgens.
Ruhelos wälzte sich Jan van Helder in seinem Bett von einer Seite auf die andere.
Er wollte schlafen... Ja, er wollte es wirklich... Er hatte im Geist Schafe gezählt und zweimal versucht, von tausend abwärts die Zahlen vor sich hin zu murmeln. Er ahnte, daß er der Lösung des Rätsels auf der Spur war... Und deshalb halfen weder Zahlen noch Schafe... Barnecelli — Zachnaros — Barnecelli — Zachnaros... Er blickte wieder zur Uhr: 2 Uhr 10...
Dann plötzlich durchfuhr es ihn. Es war wie ein Blitzschlag... Er riß den Hörer von der Gabel des Telefons, das direkt neben seinem Bett stand.
Himst meldete sich.
„Liegt die Su Lin Fu noch im Hafen?“ bellte van Helder in die Muschel.
„Ja, Chef... Ich dachte, Sie schliefen...“
„Dachte ich auch. Gibt’s sonst was Neues?“
„Nein, nicht daß ich wüßte. Von Barnecelli keine Spur. Warum fragen Sie nach der Su Lin Fu ?“
„Ich habe das Gefühl, daß ich der Lösung ein Stück nähergekommen bin... Ich glaube jetzt auch nicht mehr, daß die Dschunke vor morgen mittag auslaufen wird... Gute Nacht, Tony!“
„Gute Nacht, Chef!“ sagte auch Tony Himst, doch van Helder hatte schon aufgelegt und seinen müden und ziemlich ratlosen Mitarbeiter wieder
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