Das Karussell der Spitzbuben
den Kopf. „Nichts, Chef. Auch die Röntgenuntersuchungen waren durchweg negativ. Wenn Tappe und seine Mannschaft nichts finden, gibt es in diesem Haus wirklich nichts Belastendes.“
„Was war mit dem kleinen Mädchen?“
„Das hat Frau Hellgerson untersucht.“
Anita Hellgerson stand neben de Moiselen. Als habe sie nur auf ihr Stichwort gewartet, berichtete sie: „Ein reizender Fratz. Zutraulich und lieb. Aber auch sie hatte nichts bei sich.“
„Ist die Puppe vielleicht nichts?“ donnerte van Druisen. „Eine ganz gewöhnliche Sprechpuppe. Wir haben die Kleider untersucht, ihr den Kopf abgedreht und jedes Teil aufgeschnitten — ohne Ergebnis. Das heißt, das Ergebnis war, daß die Kleine fürchterlich gebrüllt hat. Fred Amelien hat ihr eine neue Puppe gekauft. Die gleiche natürlich.“ Und leiser fügte sie hinzu: „Die Rechnung liegt auf Ihrem Schreibtisch, Herr Kommissar!“
Drei Minuten lang stampfte der Kommissar hin und her. Plötzlich hielt er inne. Eine unwahrscheinliche Idee war ihm gekommen. Mit drei Schritten stand er vor der Beamtin.
„Wo ist die kaputte Puppe jetzt?“
„Noch in meinem Schrank!“ antwortete Anita Hellger-son erschrocken.
„Herholen!!“
Fünf Minuten später triumphierte Joost van Druisen. Er hatte die Lösung gefunden.
Eine frappierend einfache und doch freche Lösung. Alles, was er wissen mußte, lag Wort für Wort vor ihm... Noch Monate danach sprach man darüber, wie es geschehen konnte, daß man ausgerechnet daran nicht gedacht hatte.
Nun, wo hat Kommissar van Druisen die Lösung des Falles entdeckt?
Fall 13: Der Geniestreich
Gaston Berlieu, polizeibekannter Unterweltgangster in Paris, stürmte die Treppen der Rue Cherbienne Nr. 48 hoch und klingelte im vierten Stock an einer Tür mit dem Pappschild Dr. Berlieu Sturm. Es dauerte drei Minuten, bis von jenseits der Tür eine verschlafene weibliche Stimme fragte:
„Wer ist da?“
„Ich bin es, ma chérie, dein Brüderchen, mach schon auf!“ rief Gaston.
Ein Riegel kreischte, eine Kette klirrte, und der Mann in der karierten Jacke, dem schwarzen Hemd und der knallgelben Krawatte huschte durch den Spalt.
„Es ist drei Uhr früh!“ fauchte Dominique, dreiundzwanzig Jahre jung und Gastons Schwester. „Konntest du nicht früher kommen? Erst läßt du dich wochenlang nicht sehen, und dann kommst du ausgerechnet zu einer Zeit, in der jeder anständige Mensch schläft.“ Sie schob Riegel und Kette vor und schlappte in ihr Schlafzimmer zurück.
Gaston, der ihr lächelnd folgte, war in keiner Weise von ihrem Gefühlsausbruch berührt. Während er sich auf einem etwas wackligen Cocktailsessel niederließ, hüpfte Dominique mit einem eleganten Hocksprung in ihr Bett zurück.
„Was ist los, Gaston? Warum holst du mich aus den angenehmsten Träumen?“
„Ich komme, um dir Neuigkeiten zu berichten.“
„Pah!“ machte Dominique und verzog ihren Mund. „Deine Neuigkeiten kenne ich. Die letzte Neuigkeit besagte, daß du für mindestens zwei Monate untertauchen müßtest.“
„Mon Dieu, das ist — zig Jahre her!“ winkte Gaston ab und strich sich über sein Bärtchen.
Dominique boxte in ihr Kopfkissen und verbesserte mit einem elegischen Seufzen: „Es ist noch kein halbes Jahr her. Also, raus mit der Sprache, was gibt’s Neues?“
„Ich habe gearbeitet, geliebte Dominique!“
„Ach...“
Gaston Berlieu tippte sich an die Stirn. „Mit dem Kopf!“
„Ach, und was ist dabei herausgekommen?“ Es war ersichtlich, daß die Schwester nichts von der Kopfarbeit des Bruders hielt. Doch Gaston schien sich seiner Sache ziemlich sicher.
„Alles! Ich werde meiner ewig unzufriedenen Schwester eine Reihe von Wünschen erfüllen. Zuerst bekommst du den schönsten Pelz, den Estrelle zu verkaufen hat. Dann werfen wir“, er machte eine weitausholende Handbewegung, „den ganzen Krempel hier hinaus und richten dich neu ein. Mit Teppichen, gediegenen Teakholzmöbeln, Leuchtern und Lampen von Acreux und dazu dem schönsten Farbfernseher, den es in ganz Frankreich zu kaufen gibt. Ich selbst werde mir ein neues Auto kaufen, und wenn du Lust hast, leisten wir uns gemeinsam ein paar Wochen St. Moritz. Nun, ist das was?“
Dominique wußte nicht, wie ihr geschah. Sollte sie lachen, sollte sie weinen, sollte sie spotten oder aber nach dem Arzt rufen? Da Gaston jedoch trotz allem einen ziemlich gesunden Eindruck machte, entschloß sie sich für das vorletzte. „Wenn’s ist, ist’s was!“ erwiderte sie und
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