Das Karussell der Spitzbuben
schnitt eine Grimasse.
Gaston breitete die Arme aus und rief theatralisch:
„Ich werde den Geniestreich des Jahrhunderts landen!“ Dann kauerte er sich zu Füßen seiner gähnenden Schwester und erläuterte seinen Plan: „Die Polizei weiß, daß ich nur in weißen Handschuhen arbeite!“
Dominique nickte.
„Sie weiß, daß ich nur Virginias rauche und eine Vorliebe für die Duftnote ,Elegance’ habe!“
Dominique nickte wieder.
„Na also“, sagte er.
„Na also was?“ fragte sie.
Gaston Berlieu richtete sich steil auf und drückte die Brust heraus und flüsterte im Tonfall eines Predigers: „Morgen nacht breche ich bei Jules Marineque am Place de la Garnison ein!“
Dominiques Augen wurden groß und dunkel. „Dem Juwelier?“ fragte sie ungläubig.
Und er: „Dem Juwelier!“
„Nein...“ schluckte Dominique.
„Doch!“ sagte Gaston und fuhr fort: „Ich weiß, wo die Alarmanlage abgestellt wird. Ich werde den Duft von ,Elegance“ verbreiten, meine weißen Handschuhe, eine angerauchte Virginia und — meinen Führerschein liegenlassen... das heißt, letzteren werde ich natürlich zwanglos verlieren!“
Dominique war entsetzt.
Er lächelte. „Den Führerschein habe ich vorgestern als gestohlen gemeldet.“
„Aber bei so viel Indizien kommt man in jedem Fall auf dich. Handschuhe, Duft und Virginias. Warum rufst du nicht gleich die Polizei an und sagst, was du vorhast.“ Sie bibberte und sah sich im Geist bereits Kuchenpäckchen ins Gefängnis tragen.
Doch Gaston lächelte nur überlegen. „Das ist er ja...“
„Was ist er?“
„Der Geniestreich des Jahrhunderts, Dominique! Selbst der dümmste Kriminaler wird einsehen, daß mir da einer was anhängen wollte!“
Es dauerte einige Augenblicke, bis Dominique begriff. „Du hast recht!“ räumte sie ein. „Das ist wirklich ein Ding.“ Er lächelte selbstzufrieden, streifte sich die Schuhe ab und verkündete seinen Entschluß, ein paar Stunden auf dem Küchensofa zu schlafen.
1 Uhr 45
Der Nachtwächter war vorbei. Gaston Berlieu schlüpfte in seine weißen Handschuhe und begann sich mit dem ersten Schloß zu beschäftigen. Zwölf Minuten später erreichte er den mondänen Verkaufsraum und sammelte ein, was sich so alles anbot. Zum Schluß waren es Schmuck und Edelsteine im Wert von einer halben Million Francs.
Zwischen zwei damastbezogenen Stühlen „verlor“ er seinen Führerschein. Die angerauchte Virginia legte er in einen teuren Bleikristallaschenbecher. Zu guter Letzt zog er sich die weißen Handschuhe von den Fingern und deponierte sie unauffällig auf einer Vitrine, direkt unter dem überdimensionalen Bild des Firmengründers. Seine letzten Handgriffe galten einer großen chinesischen Bodenvase, die er auf den silbergefaßten Verkaufstresen stellte und an sie das Schild mit den Goldbuchstaben MERCI (Danke) lehnte. (Es hing vorher über der Tür.)
Um 3 Uhr 20 erreichte er wieder die Rue Cherbienne Nr. 48, wo ihn seine zitternde Schwester erwartete.
„Nun, was war?“
Gaston leerte seine Taschen auf den Wohnzimmertisch. Ringe, Ketten, Broschen, Uhren, Diademe, Goldreife und Diamanten. Eine überwältigende Pracht, und Dominique, die als Verkäuferin in einem Süßwarengeschäft arbeitete, sah all das vor sich, von dem Gaston gesprochen hatte. „Warst du auch vorsichtig?“
Er winkte ab. „Es lief alles wie geschmiert!“
„Das hast du beim letztenmal auch gesagt, und dann haben sie dir drei Jahre aufgebrummt!“
„Es lief wirklich alles wie geschmiert. Keinerlei Grund zur Besorgnis.“ Dann verstaute er die kalte Pracht unter einem Dielenbrett und legte sich zufrieden auf besagtes Küchensofa, wo er fast augenblicklich einschlief.
8 Uhr 38 klingelte es an der Tür. „Geh nachsehen!“ murmelte Gaston schlaftrunken und drehte sich wie jeder anständige Nachtarbeiter auf die andere Seite.
Richtig wach wurde er eigentlich erst durch das Geräusch eines eigenartigen, sehr unmelodiösen Klirrens. Handschellen!
Derjenige, der mit ihnen winkte, war kein anderer als Kommissar Laurent Dupont. Wie immer in Begleitung des kleinen verwachsenen, ewig grinsenden Henry Dacot. Gar nicht unfreundlich räumte er ein:
„Ein genialer Einfall, Berlieu. Hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut. Und wäre nicht dieser dumme, völlig unnötige Fehler gewesen, mon Dieu, Gaston, ich hätte wirklich geglaubt, irgendein Gauner wollte Sie reinlegen!“
Nun die Frage an euch: Um welchen Fehler handelte es sich?
Fall 14: Die Geschichte
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