Das Karussell der Spitzbuben
Unternehmen laufen?“ wollte der starke Jean aus Lille wissen.
„Du und Michel laßt euch morgen nach der letzten Messe einschließen und beginnt mit der Demontage. Figur und Sockel sind aus einem Stück geschnitzt und würden noch um einiges mehr wiegen, wollten wir sie im Ganzen abtransportieren. Deshalb werdet ihr eine Säge in die Kirche schmuggeln und den Sockel einen halben Meter unter der Figur durchsägen!“
„Aber das macht doch Lärm!“ gab Michel zu bedenken. „Ihr habt viele Stunden Zeit. Sägt leise und langsam!“ erwiderte Mercannier, und er zog einen Schlüssel aus der Hosentasche. Dazu sagte er:
„Die Kirche hat drei Nebeneingänge. Hier, der Schlüssel ist für die Westpforte, die zur Rue Fontaine führt. Gegen 20 Uhr werde ich dort den Lieferwagen abstellen. Nach Mitternacht kommen dann Gaston und ich zur Pforte, und ihr laßt uns hinein. Gemeinsam tragen wir die Madonna dann zum Wagen. Alles klar?“
Die anderen nickten.
Freitag, 10. November 1973.
Es goß in Strömen. Mitternacht war vorbei.
Vor genau zwanzig Minuten hatten Jean und Michel das Kunststück vollendet: Der Sockel bestand j etzt aus zwei Teilen. Schweigend, von der ungewohnten Arbeit mitgenommen, hockten sie zu Füßen der heiligen Magdalena und begingen ein weiteres Sakrileg: sie rauchten. Erst als sie von Mercannier aufgefordert wurden mitzuhelfen, die Madonna in Decken zu verpacken, warfen sie ihre Zigaretten fort. Plötzlich vernahmen sie Gastons hastige Schritte.
Und Gaston fluchte: „Verdammter Mist das, in unserer Tür stehen welche und warten darauf, daß es aufhört zu regnen. Was tun wir, wenn es bis morgen früh durchregnet?“
„Wir bleiben eben gleich zur Frühmesse sitzen“, versuchte Michel zu ulken. „Oder aber wir müssen eine andere Tür aufbrechen.“
„Hm, an alles habe ich gedacht, nur nicht daran...“ gab Mercannier zu.
Jean Perilleau kratzte sich über das unrasierte Kinn. Als er dann rief: „Ich hab’s!“ sahen ihn die anderen verwundert an.
„Du hast was?“ wollte Mercannier wissen.
„Einen Ausweg. Wir klettern durch das Fenster neben der Sakristei. Einer holt dann den Lieferwagen, und wir heben die Puppe durchs Fenster und verladen sie. Wenn die beiden Frauen in unserer Tür stehen, werden sie ja nicht gerade um die Kirche herumlaufen, oder?“
Schulterzucken bei den anderen. Und Mercannier wußte wohl auch keinen anderen, besseren Vorschlag zu machen.
„Packen wir sie!“ rief er leise.
Zu dritt stemmten sie die Figur hoch und schlugen den Weg zur Sakristei ein. Mercannier öffnete vorsichtig das Fenster und sah hinaus. Eisiger Regen peitschte ihm entgegen.
„Niemand zu sehen. Außerdem haben wir Glück. Ein Wäschereiwagen steht direkt davor. So sind wir wenigstens etwas geschützt.“
„Ich hole unseren Wagen“, rief Michel Lauriac und schwang sich auf den Sims.
„Nein!“ bestimmte Mercannier. „Wir holen den Wagen erst, wenn wir alle draußen sind und die Madonna sofort verladen können.“
Vier Minuten später war es soweit.
Charles Mercannier wollte sich gerade auf den Weg zur Westpforte machen, als die Schiebetür des Wäschereiautos zurückglitt und vier Personen aus dem Lieferwagen sprangen. Zwei Frauen und zwei Männer. Während eine der Frauen sofort hinter dem Steuer des Wagens verschwand, hielten die drei anderen ihre Waffen auf die Madonnenräuber gerichtet, und einer der maskierten Männer forderte höflich:
„Und jetzt, Gentlemen, wollen wir die Lady hier weich legen. Herein damit!“
„Kanaillen!“ zischte Mercannier, von ohnmächtiger Wut beherrscht. Doch selbst das Fluchen verging ihm, als sich plötzlich einer seiner eigenen Leute zu den Bewaffneten gesellte und ihm noch einmal höhnisch zuwinkte, bevor er mit den anderen und der heiligen Magdalena davonfuhr...
Welcher der drei „Mitarbeiter“ Mercanniers steckte mit der zweiten Gaunergruppe unter einer Decke?
Fall 16: Der Ausbruch
Der Kalender an der Zellenwand zeigte den 21. Oktober 1983. Ein Sonntag.
Die drei Häftlinge waren offensichtlich damit beschäftigt, irgendein besonderes Ereignis vorzubereiten. Außer der Tatsache, daß sie gemeinsam eine Zelle bewohnten, gab es noch eine Reihe weiterer Übereinstimmungen. Alle drei stammten aus der gleichen Stadt.
Alle drei waren Diebe!
Alle drei waren vorbestraft, und — allen war die Untersuchungshaft auf das Strafmaß angerechnet worden.
Arthur Riebele, 52 Jahre, war am 17. Juli 1980 verhaftet und wegen wiederholten
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