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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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wachsende Verärgerung zu unterdrücken. » So geht es nicht, Bert. Wenn wir es nicht schaffen, bis fünf Uhr heute Nachmittag zwanzig Ballen innerhalb der erlaubten Toleranz zu produzieren, werden wir den Vertrag vermutlich verlieren. Gwen hat Ihnen gezeigt, wie es geht. Was zum Teufel haben Sie bei diesen letzten beiden Ballen anders gemacht? «
    Ich sah ihm in die Augen. Er schüttelte stumm und störrisch den Kopf.
    » Um Himmels willen! Halten Sie die Maschine an! Aufhören, was immer Sie gerade tun mögen, Ruby. Holen Sie Gwen. Ich brauche sie in meinem Büro, sofort. « Ich stürmte zurück ins Hauptgebäude.
    Als ich Gwens Schritte auf der Treppe hörte, zwang ich mich dazu, ruhig zu bleiben.
    » Was ist los, Lily? «
    » Du hast Bert und Ruby alleine weitermachen lassen? Ohne Aufsicht? «
    » Es gab einen Notfall in der Weberei. Ich war bloß für eine halbe Stunde weg. Sie kommen zurecht. «
    Wie konnte sie bloß so sorglos sein, wo es doch womöglich um unsere Existenz ging. » Um Gottes willen! Das hier ist ein viel schlimmerer Notfall. In dieser Zeit haben sie es geschafft, zwei Ballen zu versauen. Warum hast du nicht zwischendurch nach ihnen geschaut? «
    » Verdammt « , fluchte sie. » Es lief alles bestens, als ich gegangen bin. Ich habe ihnen gezeigt, wie es geht, und die Ergebnisse waren perfekt. «
    » Tja, jetzt sind sie es nicht. Geh sofort hin und bring das in Ordnung. Lass sie nicht eine Sekunde aus den Augen, bis ihr zwanzig perfekte Ballen zusammenhabt « , schrie ich sie an.
    Ihr Gesicht wurde aschfahl. Sie drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort.
    Der Nachmittag zog sich dahin. Ich war beschämt wegen meiner unangemessenen Härte Gwen gegenüber und in panischer Sorge wegen unserer Lieferung, zwang mich aber, nicht in der Veredelungshalle selbst nach dem Rechten zu sehen. Als ich gegen vier Uhr aus der Kantine kam, traf ich Gwen auf der Treppe. Sie war blass vor Erschöpfung. Wir gingen in mein Büro und schlossen die Tür hinter uns.
    » Es tut mir leid, dass ich dich vorhin so angefahren habe, Gwen. Ich bin einfach ausgerastet bei all dem Stress. «
    » Ich weiß, dass es nicht persönlich gemeint war. « Sie lächelte schwach.
    » Wie geht es? «
    » Nicht so schlecht « , sagte sie und setzte sich. » Wir sind fertig. Alle bis auf diese zwei Ballen, die du gesehen hast, sind jetzt innerhalb der erlaubten Toleranz. Wir können dem Fahrer achtzehn Ballen mitgeben – dafür lohnt sich die Fahrt. «
    » Wir haben zwanzig versprochen. « Ich spürte erneut Verärgerung aufsteigen, unterdrückte sie jedoch.
    » Wir haben wirklich unser Bestes gegeben – übermorgen können wir weitere zehn liefern. «
    » Dann setze ich mich besser mal ans Telefon und warne ihn vor « , sagte ich, und ein mulmiges Gefühl überkam mich, eine düstere Vorahnung. Das scheint ein Problem von dir zu sein, Lily. Der Satz ging mir einfach nicht aus dem Kopf .
    » Ich habe Bert und Ruby nach Hause geschickt. Sie waren fix und fertig. Das war okay, oder? «
    » Natürlich, warum gehst du nicht ebenfalls heim? Ich kümmere mich um den Fahrer. « In Wirklichkeit ging es mir nur darum, sie aus dem Büro zu bekommen, denn ich musste nachdenken, wie ich Robbie Cameron das jetzt schon wieder verkaufen sollte.
    » Sicher? «
    Ich nickte. » Wir sehen uns später. Warte nicht mit dem Essen auf mich. Ich nehme mir was, wenn ich heimkomme. «
    Eine leichte Berührung an meiner Schulter, dann war sie fort.
    Ich schlief tief und fest mit dem Kopf auf dem Schreibtisch, als ein lautes Hupen mich aus dem Schlaf riss. Die Bürouhr zeigte zehn vor sieben. Sollte der Wagen nicht viel früher kommen? Draußen war es dunkel und still; keine Stimmen aus dem Büro, kein Rumpeln der Webmaschinen. Erneut ertönte die Hupe, kurz darauf ein ungeduldiges Klopfen an der Tür. Ich stand auf, benommen vom Schlaf, fuhr mir mit den Fingern durchs Haar, ging gähnend nach unten und öffnete die Tür.
    » Robbie? « Ausgerechnet. Das hatte mir an diesem furchtbaren Tag noch gefehlt, dass er höchstpersönlich erschien, um die Lieferung abzuholen.
    » Tut mir leid, dass ich so spät komme. Mein Fahrer hat heute eine traurige Nachricht bekommen, und es war sonst niemand da « , sagte er leise.
    » Armer Mann. «
    » Sein Sohn. Ihn hat’s erwischt. In der Wüste. Böse Sache. «
    Wir standen auf der Türschwelle und hörten die Kühe auf den Auwiesen muhen. Ich dachte daran, wie Stefan mir die Wüste beschrieben hatte, und versuchte mir die

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