Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
was die anderen dachten.
Vor der Haustür wurde das Gedränge immer größer und die Rettungswagen trafen endlich ein. Die Polizei versuchte vergeblich, neugierige Pressevertreter zu verjagen. Es hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen: Ingmar Suhrhoff hielt in seinem Haus drei Frauen gefangen – seine eigene und zwei Nachbarinnen. Die Schlagzeilen am nächsten Tag würden von Sexsklavinnen und einer Folterkammer neben der Kellertreppe berichten. Auch Chantalle Mahler hatte Wind bekommen und eilte in die Veilchengasse. Was war nur mit ihrer Mutter passiert? Sie und ihr Vater kamen mit quietschenden Reifen zwischen Suhrhoffs und Zielkes Haus zum Stehen. „Da steht ja der Wagen von Sören!“, entfuhr es Chantalle. „Und da ist ja Sören!“
Kurz bevor der Polizeiwagen mit Ingmar auf dem Rücksitz losfuhr, sah der Gefangene die Panik in den Augen von Don Fetti, als dieser aus seinem Haus trat. Sören Zielke hielt die Hand seiner Frau und lief neben der Trage her, auf der Hanna zum Rettungswagen befördert wurde. Er wurde sehr blass, als auf einmal Chantalle vor ihm stand und ihn fragte: „Wie geht es meiner Mutter, Sören?“
Teil 2 – Beobachtet
Das Telefonklingeln riss Lisa aus dem Schlaf. Sie schaute zum Wecker: drei Uhr. Es war stockfinster, sie zitterte vor Angst. Es war nicht das erste Mal, dass es nachts klingelte. Immer, wenn sie dann den Hörer abgenommen hatte, war ein Schnaufen und schweres Atmen zu hören; es klang männlich, alt und widerlich. Sie ging seit Tagen nicht mehr ran und hatte es auch den Kindern verboten, wenn keine bekannte Rufnummer auf dem Display zu sehen war. Jetzt hatte sie endlich die Pressefuzzis abgewimmelt und nun musste sie sich mit anonymen Anrufen herumplagen!
Sie horchte und stellte erleichtert fest, dass die Kinder offenbar nicht wach geworden waren. Hanna hatte recht – Lisa musste sich endlich um eine geheime Rufnummer kümmern und bis dahin einfach den Stecker aus der Buchse ziehen. Leise schlich sie aus dem Bett und zog sich ihren Morgenmantel über. Auch wenn Ingmar nun schon seit über einem Monat im Gefängnis war, achtete Lisa darauf hübsch und sexy auszusehen. Ihr Negligé aus Seide wärmte nicht, sondern war für zärtliche Stunden gedacht. Lisa glaubte fest daran, dass Ingmar eines Nachts vor ihr stünde und sie wild und leidenschaftlich lieben würde. Auf keinen Fall wollte sie ihn mit einem schlampigen Outfit vertreiben und darum war sie auch als Strohwitwe stets perfekt herausgeputzt.
Nie würde Lisa sich daran gewöhnen, dass Ingmar ihr nicht den Schutz bot, den sie so dringend brauchte. Noch saß ihr Mann in Untersuchungshaft, der Prozess kam erst noch und wenn man der Polizei glauben konnte, würde ihr Schatz noch Jahre hinter Gittern verbringen. Sobald Lisa an ihren armen Ingmar hinter dicken Gefängnismauern dachte, traten ihr die Tränen in die Augen. Sie wollte ihren Mann zurück haben! Sie war einfach nicht der Typ Löwenmutter, die ihre Jungen mutig verteidigte. Am liebsten hätte sie Sebastian geweckt, damit er runter in den Flur ging und sich des Telefons annahm. Sie konnte das einfach nicht, fürchtete sich schon vor der Treppe. Aber der Junge musste morgen zur Schule – Lisa verwarf den Gedanken. Ob sie vielleicht doch das Angebot ihrer Schwiegereltern annehmen sollte und die Kinder für längere Zeit bei ihnen ließe? Sebastian brauchte noch so viel Aufmerksamkeit und wurde von den Klassenkameraden geärgert. „Dein Papa ist ein Perverser!“ Und Julia sprach nicht mehr mit ihrer Mutter, seit alles rausgekommen war. Auch die Sache mit dem Sex auf dem Stuhl im Kellerzimmer. Alles wusste Julia – mit fünfzehn Jahren war sie leider nicht mehr so leicht anzuschwindeln wie ihr zehnjähriger Bruder.
Lisa schlich sich an der Wand entlang zum Telefon. Die Angst kroch ihr den Hals hoch, sie hörte ihr eigenes Herz schlagen. Zwar hatte das Klingeln längst aufgehört, in Lisas Kopf ging der Terror aber weiter: Hinter jeder Zimmertür vermutete sie einen Einbrecher; sie war sich sicher, dass Menschen um ihr Haus schlichen und wenn der Kühlschrank ansprang, setzte ihr Herz jedes Mal einige Schläge aus. Schnell ging sie in die Hocke und zog das Kabel aus der Dose. So, nun würde keiner mehr anrufen können. War ihr doch egal, ob jetzt jemand vergeblich versuchte sie zu erreichen! Wobei, oh Gott, was wäre, wenn Ingmar ein Ausbruch gelänge und sie nun nicht anrufen könnte! Nein, das ging nicht, er würde sie windelweich schlagen! Panisch
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