Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)
komme gleich. Nur noch ein paar Minuten. Vielleicht sollte ich … Ich würde gern noch mit Ellie reden.«
»Ellie? Ellie schläft schon.« Megan trat einen Schritt ins Arbeitszimmer. Sie legte den Kopf schräg, um die Akte auf Leos Schreibtisch zu betrachten. »Was guckst du dir da an?«
»Ach, nichts. Bloß Papierkram.« Er stieß eine hervorstehende Ecke an.
Megan trat noch einen Schritt vor und legte Leo die Hände auf die Schultern. »Wie fühlst du dich?« Sie knetete, und Leo atmete aus und schloss die Augen.
Er spürte, wie sich etwas gegen seine Knöchel schmiegte. Die Katze war Megan ins Zimmer gefolgt und strich ihm zärtlich um die Beine. Eigentlich war es Ellies Katze: Rupert, »weil sie aussieht wie ein Bär«, eine Logik, die für eine damals Achtjährige überzeugend genug gewesen war, um jeden Zweifel hinsichtlich des Geschlechts wegzuwischen.
»Müde«, sagte Leo, um die Frage seiner Frau zu beantworten. »Aber auch so, als könnte ich nie mehr einschlafen.« Er drehte sich halb um und nahm Megs Hand. »Und du?«
»Keine Ahnung. Ich weiß nicht, wie ich mich fühlen soll. Wohl auch müde, aber mehr vom Gedanken daran. Ich mache mir Sorgen, Leo. Ich weiß, ich weiß«, sagte sie, als Leo lächelnd ihre Hand drückte. »Aber Ellie. Es ist bloß wegen Ellie. Ich mache mir Sorgen um sie.«
»Ellie wird nichts passieren. Und uns auch nicht. Es ist ja nicht so, als hätte einer von uns das getan, Meg.«
Sie erwiderte seinen Händedruck. »Wann hast du den Termin mit ihm?«
Leo rutschte auf dem Stuhl herum und spürte, wie die Katze weghuschte. »Morgen. Gleich als Allererstes. Bevor sie ihn sich wieder vornehmen.« Megan wirkte für einen Moment verwirrt.
»Die Polizei«, erklärte Leo. »Sie werden nicht die ganze Zeit dabeibleiben.«
Megan nickte. Sie küsste ihn aufs Haar. »Dann komm jetzt hoch. Du musst schlafen.« Sie ging zur Tür und legte die Hand an die Türkante.
»Mach ich. Ich bin gleich bei dir, versprochen. Nur noch ein paar Minuten.«
Megan ging. Leo hörte, wie die Haustür abgeschlossen und das Licht ausgeschaltet wurde, dann die bleischweren Schritte seiner Frau auf der Treppe. Erst als er sich sicher war, dass sie oben angelangt war, ließ er den Kopf in die Hände sinken.
3
J etzt, hier: Sag es einfach.
Aber er schwieg. Er ließ den Passat näher an den Wagen vor ihnen rollen und zog in die Stille hinein ratschend die Handbremse an. Er räusperte sich, so fröhlich er konnte, und gluckste dann kurz, als wäre ihm gerade etwas Lustiges eingefallen.
Ellie reagierte nicht. Sie blickte weiter starr nach vorn, eine Hand unter dem Kinn, die andere zur Faust geballt in ihrem Schoß.
Leo räusperte sich noch einmal, und diesmal sah Ellie ihn an. »Können wir das Radio anmachen?«, fragte sie, den Arm schon ausgestreckt.
»Gleich.« Leo wollte die Hand seiner Tochter nehmen, aber die hatte sie schon wieder weggezogen. »Ich wollte nämlich noch mit dir reden.« Leo legte seine Hand stattdessen auf dem Schaltknüppel ab. »Über die Arbeit. Meine Arbeit, meine ich.« Der Verkehr kam in Bewegung, und Leo legte einen Gang ein. »Es gibt da … also …« Er hustete. »Folgendes, Ellie …«
»Ich weiß, Dad.«
Leo sah sie an. »Du weißt es?« Der Verkehr kam wieder zum Stehen, und Leo zog erneut die Handbremse an. »Was weißt du?«
Ellie zuckte mit den Achseln. »Das mit Felicity. Und dem Jungen.« Wieder dieses Achselzucken – im Grunde nicht einmal das so richtig. »Mit diesem Fall.«
»Was? Woher denn?«
»Mum hat’s mir erzählt.«
»Deine Mutter? Wann?«
»Gestern Abend.«
»Wann gestern Abend?«
»Als du gearbeitet hast.«
Leo dachte nach. »Oh.«
Stille. Selbst der Verkehr draußen schien für einen Moment darauf zu warten, was jetzt kam.
»Und, was sagst du dazu?«, fragte Leo, und die Bremslichter der Autos vor ihm verloschen. »Ist das in Ordnung für dich?«
Achselzucken.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, weißt du?«
Was natürlich genau das Gegenteil bewirkte. »Warum sollte ich mir denn Sorgen machen?«
»Ich hab doch gesagt, das brauchst du nicht.«
»Aber warum sollte ich denn?« Ellie richtete sich etwas auf. Sie sah ihren Vater an.
»Brauchst du nicht«, wiederholte Leo. »Es gibt für dich keinen Grund zur Besorgnis.« Ein Wagen kam von der Überholspur und reihte sich vor ihnen ein. Es gab zwar keinen Anlass, aber Leo schlug trotzdem auf die Hupe. »Jetzt sieh dir diesen Hornochsen an«, sagte er. Sein Blick zuckte zu
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