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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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mit Bedacht auf mich, während ich mich aus dem Stuhl hocharbeitete … Das Licht war wie das, mit dem sie einem beim Verhör dritten Grades in die Augen leuchten. In meinem Stiefel gluckste es, daß einem übel werden konnte, als ich mein Gewicht auf das verletzte Bein verlagerte, und der Schmerzpegel schoß in die Höhe. ETHANAC löschte ihn erneut zuvorkommend aus, doch ich fragte mich, ob ich nicht einen Dauerschaden davontragen würde. Mein Kopf war nur noch wie ein Ballon, der an den Haltestricken zerrt. „Reichen Sie mir die Hand, Salad. Ich glaube, Sie haben mich außerstande gesetzt, hier herumzuhüpfen.“
    Er kam auf mich zu, den Lichtstrahl noch immer mit der schlimmstmöglichen Wirkung auf mich gerichtet, und streckte eine Hand aus. Ich griff danach und verlagerte mein Gewicht. Mit einem leichten Ruck entzog Salad mir seine Hand und ließ mich der Länge nach hinschlagen.
    Ich befreite mich, immer noch im Lichtkegel der Taschenlampe, langsam aus meiner schwierigen Lage und schielte zu ihm auf. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht sehen, was aber wohl auch nicht nötig war.
    „Oh. Tut mir leid, Mr. Ring … Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen.“
    „Was soll das heißen …?“ Das kam nicht so heraus, wie es eigentlich sollte. „Kabir … hat Ihnen befohlen, mir zu helfen, verdammt noch mal!“
    „Nein, Mr. Ring“, sagte er freundlich. „Er hat mir aufgetragen, Sie ins Krankenhaus zu bringen. Was ich auch tun werde, wenn Sie ohne meine Hilfe zum Hubschrauber kommen. Verstehen Sie, er hat mir auch aufgetragen, Sie nicht anzurühren, ehe er nicht ausdrücklich seine Zustimmung gibt. Und die hat er nicht gegeben.“
    „Sie wissen genau, das ist … was er gemeint hat!“
    „Ich befolge seine Anweisungen stets aufs Wort. Auf den Buchstaben genau. Darum vertraut er mir.“ Höhnisch grinste die Dunkelheit.
    „Er wird Ihnen nicht mehr … vertrauen, wenn ich nicht … in einem Monat wieder hier bin. Er will mich sehen …“ Ich versuchte, mich zu erheben, doch ohne viel Glück.
    „Rührend, Mr. Ring.“
    „Es stimmt! Rufen Sie ihn an … fragen Sie ihn …“
    „Sie vergeuden Ihre Zeit, Mr. Ring. Jede Minute, die Sie hier mit Klagen herumsitzen, verlieren Sie mehr Blut.“
    Es drang schließlich in meinen immer schwerer werdenden Kopf vor, daß das genau der springende Punkt war. Langsam begriff ich den Schrecken hinter dem Ausdruck „Katze und Maus“. Ich kam diesmal vollständig auf die Beine, meine Wut diente mir als Krücke, und schaffte es bis zur Tür mit dem Vorhang, durch die Kapelle hindurch, bis zur Kirchentür.
    Die Strecke über den mondhellen Platz bis zur Luftschleuse des Kuppelbaus schien sich wie der Alptraum eines Topologen zu dehnen: Fünfzig Meter … fünfhundert … fünftausend. Ich verlief mich ständig; vielleicht kam es mir auch nur so vor. Ein anderes menschliches Wesen war um diese Uhrzeit nicht zu sehen – das schloß auch jenes ein, das mir mit der Taschenlampe in der Hand folgte. Ich ging davon aus, daß es nichts nützen würde, unter diesen Umständen um Hilfe zu rufen, nicht einmal auf Ge’ez. Gott hilft denen, die sich selber helfen.
    Doch schließlich gelangten wir zur Luftschleuse, mein Schatten und ich. Der Lichtkegel war immer noch auf mich gerichtet; doch war ich inzwischen zu beschäftigt, als daß mich dieser erniedrigende Eingriff in meine Intimsphäre gestört hätte. Und durch das Licht wurde ich auch, ohne daß das beabsichtigt gewesen wäre, daran erinnert, daß ich kein Atemgerät trug: Die Mönche waren ein ordentlicher Orden, und ihre Atemgeräte schimmerten neben der Innentür der Luftschleuse wie eine Reihe kleiner Engel. Ohne ein Spur von Bedauern eignete ich mir eins an. Ich drehte das Rad an der Schleusentür, wie ein Fisch auf Land nach Luft schnappend, und bedeutete Salad mit letzter Kraft, er könne mich mal, als wir eintraten.
    Doch als der Luftaustausch vorgenommen wurde, wurde mir bewußt, daß selbst meine Entschlossenheit, ihn auf seinem eigenen Gebiet zu schlagen, nicht ausreichen würde. Ich dissoziierte, zerfiel … In meinem Kopf erhob sich ein Sandsturm … roter Sand … Die Außentür ging auf, und die unglaubliche Kälte der Marsnacht traf mich wie ein Faustschlag. ETHANAC! Ich versinke – halt mich fest …
    SCHON GUT, MICHAEL. LASS DICH FALLEN: ICH HABE DICH … KEINE KÄLTE, KEIN SCHMERZ. FALLENDER KREISLAUF IM OBERKÖRPER: SAUERSTOFF IN DIE BEWEGLICHEN GLIEDMASSEN UMLEITEN. KNEIF DIE AUGEN ZU. GEH VORWÄRTS,

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